Von der Apokalypse zur Auferstehung
Tod oder Leben, das ist die Alternative, eine dritte Möglichkeit gibt es nicht.
Wenn wir das Schicksal der
Menschen betrachten, sehen wir, dass alle irgendwann an diesen Scheideweg
kommen. Und dann gibt es entweder Krankheit und Tod oder ein neues Leben,
natürlich nicht erst nach dem Tod, sondern augenblicklich.
Was mit den Verstorbenen
geschieht, ist eine andere Frage. Die Bibel hat sich nie besonders für diese
Frage interessiert, doch die Masse der Nachfahren Jesu, so scheint es,
interessiert sich nur noch dafür. Ihr Leben lang macht sie ihren einzelnen
Mitgliedern Schuldgefühle – natürlich um sie sich besser einverleiben zu
können, schließlich ist ja klar, dass keiner halten kann, was angeblich geboten
ist – und dann vertröstet man sie auch noch auf eine Belohnung nach dem Tod!
Sämtliche Messiasse hätten sich darauf niemals vertrösten lassen. Sie setzten
ihr Leben ein, damit sie zu Lebzeiten so leben konnten, wie ihr innerstes Wesen
es wollte. Und von der Bibel her ist das, was angeblich moralisch geboten ist,
auch gar nicht geboten, im Gegenteil: Wir sollen uns vor keinen fremden Göttern
niederwerfen und nur einen Gott anerkennen – und der Name dieses einen Gottes
ist ausgerechnet "JAHWE", was so viel heißt wie "Ich bin der ich
bin"! Und damit ist natürlich niemand anderer gemeint als – denken Sie
schon wieder an einen anderen? – als Ihr eigenes inneres Wesen!
Deshalb müssen Sie auch zu
niemand sprechen, wenn Sie beten. Nicht umsonst hat ja Jesus gesagt: "Wenn
ihr betet plappert nicht wie die Heiden". Genau genommen
(philosophisch-logisch betrachtet) ist jedes gesprochene oder gedachte Gebet
schon Götzendienst, weil es eine Dualität von Kräften voraussetzt, die es in
Wirklichkeit nicht gibt. – Praktisch (von unserem Bewußtsein aus betrachtet)
ist die Situation natürlich anders. Da befinden wir uns nämlich in der Dualität
und in dieser führen wir schon mal (auch long-distance-)Selbstgespräche, denn
wir müssen auch in uns abklären, in welcher Lage wir uns eigentlich befinden,
doch wenn jemand die Intention hat, die im Vaterunser ausgesprochen ist, dann
braucht er nach niemand mehr rufen, denn er weiß ja, dass der "Vater"
nicht irgendwo in der Ferne ist, weil er doch unsere Lebensgrundlage ist,
unsere biologische und geistige Basis, die natürlich zu uns hält, schließlich
hat sie uns doch hervorgebracht, damit wir sind und zwar genau so, wie wir
sind. Aber logischerweise kann diese Basis nur dann eine Unterstützung für uns
sein, wenn wir uns auf sie stützen, wenn wir sie nicht in unserem Bewußtsein
verleugnen und sie nach irgendwo draußen projizieren und dann glauben, von
irgendwo aus der Ferne Hilfe bekommen zu sollen.
Das "Dein Wille
geschehe" des Vaterunsers bezieht sich auf die Überwindung des die Dualität
erst erzeugenden fremden Willens, der aus unserem Denken kommt, mit dem wir uns
aber identifizieren – daher kommt das scheinbare Gegenüber, weil es aber nur
scheinbar ist, ist jeder Gottesdienst, in dem dieses Bewusstsein nicht
mitschwingt, (immer noch) Götzendienst, weil der unbewusste Teilnehmer etwas
irgendwo außerhalb seiner selbst annimmt und anspricht, das doch dort nicht
ist, jedenfalls auch nicht mehr als in ihm selbst. Natürlich können wir mit
anderen zusammen eine Intention formulieren. Es ist ein Glück, wenn wir das
können, aber alles darüber hinaus ist Götzendienst. Die Theologen und Priester
haben davon oft keine Ahnung. Nur zu oft sind sie abergläubisch und ihr
Klientel natürlich nicht weniger. Blinde Führer von Blinden. Trotzdem macht alles
einen sehr geordneten Eindruck, der sich allerdings sofort verliert, wenn man
etwas genauer hinschaut.
Im Ursprung ist Religion
immer befreiend und sonst nichts. Irgendjemand entdeckt irgendwann in seinem
Leben – gewöhnlich nach intensiver Knechtschaft (also nach einer Erfahrung der
Nichtexistenz) irgendeiner Art, und sei es als Diener der Kirche – dass die
Kraft, die ihn/sie ins Leben gerufen hat, etwas anderes von ihm/ihr will,
nämlich dass er/sie aufsteht und zeigt, dass die Kunde von dieser Kraft nicht
bloß ein Märchen ist, sondern, dass sie auch jetzt da ist und wirkt – und wo,
wenn nicht gerade auch in dem Menschen, der sich schon zu lange vor
irgendwelchen Götzen zu Boden geworfen hat. Und die Götzen, das sind alle, die
behaupten, sie hätten recht und wir hätten ihnen zu dienen.
Das klingt nach Anarchie,
ist es aber überhaupt nicht. Denn nach der Befreiung herrscht nicht die
despotische Willkür Einzelner, sondern die Kraft, die uns hervorgebracht hat,
denn die ist ganz natürlich unser "Herr". Und sie zeigt uns: Wenn wir
ihr folgen, geht es nicht nur uns selbst, sondern unserer ganzen Umgebung so
gut, wie es nur gehen kann – auch wenn dieses "gut gehen" nicht
unbedingt den landläufigen Vorstellungen vom "guten Leben" entspricht.
Die Kraft, die uns hervorgebracht hat, hat schließlich auch alles Andere
hervorgebracht, das wir doch so sehr bewundern in seiner Schönheit zwischen
Ordnung und Chaos. Diese Kraft ordnet ein, sie wirft das Aussichtslose raus und
schafft damit Raum für Neues, sie treibt die Entwicklung voran im einzig
wirklichen schöpferischen Sinn, nämlich in Richtung immer größerer Bewusstheit.
Diese Kraft aber möchten wir
oft lieber nicht wirken lassen, weil wir unser Leben eben gern so hätten, wie
wir es uns denken – auch wenn es noch so grauenhaft ist. So ist die menschliche
Realität. Deshalb braucht es oft die Apokalypse. Freiwillig lassen wir eher
nicht los. Der Abgrund muss uns schon vor Augen stehen – und Geschichten von
Apokalypse reichen da oft nicht aus, oft genug braucht es den direkten Blick
auf den unmittelbar bevorstehenden persönlichen Untergang. Dann erst sind uns
unsere Vorstellungen manchmal nicht mehr ganz so wichtig – die meisten
allerdings, so scheint es, sterben lieber, als dass sie loslassen – besser sie
selbst sind tot, als dass ihre ganze Welt zusammenbricht. Und so geschieht es
dann auch.
Damit möchte ich keinerlei
Urteil fällen über die menschlichen Todesarten oder über die, die sie wählen,
denn es ist allzu schwer, der Versuchung zu widerstehen, ja schon zu bemerken, dass
es sich um eine Versuchung handelt. Die Oberflächen-Religion sagt dann
"abberufen aus unerforschlichem göttlichen Ratschluß" und diese
Bezeichnung ist in der Tat sehr barmherzig und angesichts der Unbewusstheit
auch zutreffend. Die Grundintention der Tiefen-Religion besteht allerdings
darin, lieber die liebsten Vorstellungen fallenzulassen (etwa so wie Abraham
seinen Sohn Isaak losgelassen hat) als den Glauben daran, dass die Kraft, die
uns ins Leben gerufen hat, nicht unseren Tod will, sondern unser Leben und dass
absolut niemand das Recht hat, es uns streitig zu machen.
Bei Heroinsüchtigen hat man
schon öfter gehört, dass sie eines Tages vor der Wahl standen: entweder den
goldenen Schuß oder ein von Grund auf neues Leben. Die Leute, die sich für das
Leben entschieden haben, haben dann meistens anderen Süchtigen geholfen, sich
auch zu dieser Entscheidung durchzuringen. Auch von anderen, die ihrem Tod so
nahe waren, hat man Ähnliches gehört. Sie haben die Auferstehung gewählt. Die
Kraft hat gesiegt. Am Ende siegt sie immer. Es ist nur die Frage, ob wir auf
sie gesetzt haben oder auf unsere eigenen Vorstellungen, z.B. auf unsere Moral,
die uns doch so weitgehend verbietet, auch nur aufzumucken – obwohl es doch
gerade unsere Lebenskraft ist, die uns zum Aufmucken bringt, weil wir von Natur
aus aufmucken müssen gegen alles, was uns klein hält. Diese klein machende
Moral hat mit Religion nicht das Geringste zu tun. Sie ist purer Götzendienst.
Wenn Moral in irgendeinem Sinn etwas Positives sein soll, dann nur im Sinn
eines Anstoßes zur Überwindung unserer Trägheit und zum Vertrauen auf unsere
innere Kraft. Und dann sagt sie uns bestimmt nicht "du sollst nicht
Unkeuschheit treiben", sondern höchstens: "Such dir einen Partner,
mit dem du dich auseinandersetzen kannst."
Der Hauptgrund, warum in
unserer Zeit die Therapie über die Religion gesiegt hat, ist der, dass die
Therapie Ihrer Grundintention nach befreiend ist, während in der Religion das
Motiv der Befreiung ins Jenseits verlagert wurde. Statt Freiheit herrschen
daher im Diesseits moralische Rücksichten. Bekanntermaßen entstehen Krankheiten
oft durch einen Energiestau, d.h. durch nicht gelebtes Leben, und der
Energiestau entsteht vorwiegend durch moralische Rücksichten. Oft wäre es
beispielsweise besser, sich scheiden zu lassen, so schlimm das immer auch ist,
als sich zurückzunehmen – und damit die Lebenskraft selbst zurückzudrängen.
Diese Art des sich zurück Nehmens geschieht nämlich ohne Bewusstsein der
Zusammenhänge und ist daher gänzlich verschieden von der Art, die die
Lebenskraft selbst verordnet und der ein Mensch folgt, der weiß, dass sie ihn
immer richtig führt.
Einer der offiziell
anerkannten Messiasse unserer Religionsrichtung war David. Und genau der hat
sich nicht gescheut, ein absolutes Tabu zu leben, nämlich den Mann einer Frau,
in die er sich verliebt hatte, umbringen zu lassen, um sie zu bekommen. Genau
aus dieser Linie, also aus den Nachfahren dieser neuen Beziehung ist dann Jesus
hervorgegangen, wie die Gründer unserer Religion mit Stolz vermerken (ohne zu
bemerken, was sie damit eigentlich sagen).
Wie viele Menschen dagegen
siechen körperlich dahin, weil sie gefangen sind hinter den unsichtbaren Mauern
menschlicher Ächtung – voll integriert in den Arbeitsprozeß, beste
Steuerzahler, fromme und nicht so fromme. Sie werden in Sklaverei gehalten
durch ein geistiges Implantat der Gesellschaft, das nämlich ist die
(unwillkürliche Kehrseite der) Moral. Fast alle körperlichen und seelischen
Erkrankungen sind von dieser Art. Wenn wir einmal angefangen haben, uns nicht
zu trauen, ist unser Ende in Sicht. "Gewollt hätte ich schon, aber dürfen
habe ich mich nicht getraut" [nach Karl Valentin], müßte auf den meisten
Grabsteinen stehen. Wenn die Krankenkassen einmal davon Wind bekommen, werden
sie entdecken, dass echte Religion wichtiger ist als Fitness. Die falsche
Religion aber (biblisch: der Götzendienst) ist die Hauptursache der Krankheit.
Zwar zeigt die Tatsache,
dass die Religiösen insgesamt statistisch gesehen gesünder und länger leben,
dass etwas von der richtigen auch in einer falschen Religion da ist – und warum
sollte die falsche Religion nicht eine natürliche Etappe auf dem Weg zur
richtigen sein – nur müssen wir eben irgendwann lernen, die Warnung des ersten
Gebots vor jeder Unterwerfung zu verstehen, sonst kommen wir mit der Religion
nicht zur Auferstehung.