Was ist „Bewusstheitsentwicklung“?
15. / 24. 7. 2001
Ich nehme mir vor, auf etwas zu achten – ich vergesse es –
nehme es mir erneut vor – vergesse es – nehme es mir wieder vor – erinnere mich
– vergesse es dann wieder, nehme es mir erneut vor – etc.. So entwickelt sich
die Bewusstheit. Wir müssen es wollen. Wir müssen Energie dafür einsetzen,
immer wieder, ob Erfolg oder Misserfolg, also ohne uns nach einem Erfolg
abheben und durch einen Misserfolg niedergedrückt sein zu lassen.
Die Grundlage der Bewusstheitsentwicklung, ihre Triebfeder,
sind die Wünsche. Sie liefern die Energie. Wenn der Antrieb stark genug ist,
ist der Wunsch erfolgreich und es geht von selbst. Was nicht von selbst geht,
ist nicht wichtig genug.
Wenn du etwas willst, machst du’s. Wenn du es nicht machst,
bleibt die Phantasie. Auch die Phantasie liefert Befriedigung, aber diese
entspricht nie der Befriedigung in der Realität. Etwas bleibt dabei immer
unbefriedigt. Und das treibt dich weiter an, nach dem Realen zu suchen.
Dieser Prozess ist der natürliche Suchprozess, also das, was
auch „spirituelle Suche“ genannt wird, der Weg der Bewusstseinsentwicklung.
Manche verweigern sich diesem Prozess an irgendeinem Punkt.
Sie bleiben stehen und begnügen sich mit der Phantasie – und bleiben natürlich
unbefriedigt.
Wenn jemand bei diesem unbefriedigt Sein stehen bleibt, kommt
es in der Folge zu Krankheiten oder Unfällen. Natürlich auch zu Reaktionen der
anderen Menschen, die den Schwachpunkt bewusst oder unbewusst aufspüren und
ausnutzen. Dadurch werden Menschen, die sich mit phantastischen Befriedigungen
begnügen abhängig – oder „co-abhängig“, wie man das nennt.
Stehen zu bleiben auf dem Weg hat viele „negative“
Auswirkungen auf den Betreffenden. Es bewirkt Schmerzen. Zuerst den Schmerz des
unbefriedigt Seins, dann die Schmerzen der Folgen, also von der Krankheit, von
dem Unfall, von dem Missgeschick oder von den Verletzungen durch andere
Menschen.
Das wiederum intensiviert die Unzufriedenheit und löst damit
einen neuen Suchprozess aus nach einer Lösung für die nun erfahrenen Probleme.
Wenn sich dieser Mensch dem neuen Suchprozess wieder
verweigert, werden die Schmerzen erhöht. Niemand tut das, es geschieht „von
selbst“, es ist ein natürlicher Prozess, einem Naturgesetz folgend.
Ausgehend von der Erfahrung dieser Phänomene, ist von
Meistern der Vergangenheit von „Sünde“ und der darauf folgenden „Strafe“ durch
„Gott“ gesprochen worden. Diese Begriffe sind in verhängnisvollster Weise
missverstanden worden. Ursprünglich sind es einfach nur Bilder dieses
Prozesses. Darüber hinausgehend haben sie keine Bedeutung. Die ihnen darüber
hinausgehend oft zugeschriebene Bedeutung, nämlich dass da „ein persönlicher
Gott“ etwas „tun“ würde, um einen Menschen zu „strafen“ und dadurch wieder auf
die rechte Bahn zu schicken, ist ein Mythos, und das heißt am Ende wieder: ein
Bild. Die dem Mythos aber verfallen sind und seine Bedeutung (seinen
Bildcharakter) nicht erkennen, glauben dann an irgendwelche mysteriösen Kräfte.
Und da beginnt das Verhängnis. Der Glaube an solche Kräfte kann einem Menschen
zwar auch helfen, allzu oft aber erzeugt er nur eine neue Abhängigkeit und auch
neue Angst – und schwächt damit diesen Menschen, und macht ihn noch stärker
anfällig für Anfeindungen aller Art, angefangen von Mikroben, denen gegenüber
er dadurch weniger Abwehr zur Verfügung haben wird, aber auch allen anderen
„Gefahren“ gegenüber.
Was
ihn so schwächt ist nicht eine „Strafe“, sondern einfach die Folge eines
inneren Widerspruchs, der die Kräfte dieses Menschen aufzehrt. Ein solcher
Mensch kämpft ja gegen sich selbst und so hat er nur beschränkte Kräfte frei
für die Abwehr äußerer „Feinde“. Seine Schwäche ist einfach eine logische Folge
seines Managements seiner Vorstellungen. Es ist kein Geheimnis! Nichts
Besonderes.
Doch an jeder Stelle auf diesem Weg ist eine Umkehr möglich!
Die Umkehr besteht immer darin, dass ein Mensch die
Herausforderung (zur Bewusstseinsentwicklung) annimmt und seine Suche
fortsetzt, ohne sich mit einer phantasierten Befriedigung zufrieden zu geben.
Auf diesem Weg lernt ein Mensch sich selbst kennen. Das
bedeutet „Bewusstheit“. Dadurch wird er mehr und mehr ganz. Ganz ist
gleichbedeutend mit „heil“, geheilt und heil-ig zugleich.
Ein Mensch, der auf diese Weise „ganz“ geworden ist, kann
andere auf diesen und diesem Weg führen. Er ist ein Meister geworden.
Das Wort Jesu „und auch ‚Meister’ sollt ihr euch nicht nennen
lassen“, meint nicht, dass es keine Meister gibt, sondern er meint, dass ein
Meister seine Schwächen kennt, dass ein Meister daher weiß, dass er keine Spur
„besser“ ist als seine Schüler. Er ist nur an einer anderen Stelle auf seinem
Weg. Einer, der das nicht weiß, ist auf keinen Fall ein Meister, gerade aber
weil er es nicht weiß, möchte er sich gern Meister nennen, weil er sich gern
gut vorkommen möchte. Das möchte Jesus vermeiden. Er will einfach nur
Ehrlichkeit.
Diesen Weg einzuschlagen, setzt keine „Ausbildung“
irgendeiner Art voraus. Es setzt nur voraus, dass jemand umkehrt – egal aus
welchen „Motiven“. So bedeutet der Einstieg eines Alkoholikers in das
12-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker, dass dieser Mensch erkennt, dass
er es nicht schaffen kann. Seine Kraft reicht nicht aus, sich aus der Sucht zu
befreien. Die eigene Kraft kann letzten Endes niemals ausreichen. So lange ein
Mensch an seine eigene Kraft glaubt nämlich, trägt er einen inneren Widerspruch
in sich, eine Unwahrheit, die Unzufriedenheit und eine gewisse innere Spaltung
bedeutet. Die Wahrheit ist nämlich, dass es nur eine Kraft gibt. Wer das nicht
anerkennt, lebt in einem inneren Widerspruch. So etwas wie „Stolz“ hält ihn
gefangen darin. Es erschiene wie eine „Blamage“ für diesen Menschen, wenn er
zugeben würde, dass seine Kraft nicht ausreicht. Daher kann es keine Hilfe
geben. Hilfe gibt es erst, wenn die Hilflosigkeit eingestanden ist, weil diese
eingestandene Hilflosigkeit eine Wirkung auf die anderen Geschöpfe hat. Alle
werden davon bewegt.
Anders betrachtet herrscht im Moment dieses Eingeständnisses
nämlich völlige innere Einheit, denn dieses Eingeständnis ist die Wahrheit
dieses Augenblicks. „Kung Fu bewegt sogar Schweine und Fische“, heißt es im I
Ching. Im Alten Testament sind sogar Heuschrecken und Bakterien davon bewegt
worden. Kein Gott musste ihnen befehlen, sie folgten einfach der Wahrheit. Das
ist die Realität. Es ist kein „Wunder“, es ist nur eine logische Folge. So ist
die Natur gebaut. Die Wahrheit bewegt (bewusst oder unbewusst) alle, die
helfend eingreifen können.
Andere
würden sagen „die konzentrierte Energie kann alles bewegen“. Darauf beruht ja
der gefürchtete Karate-Schlag. Er ist nur möglich, wenn ein Mensch zumindest
für diesen Augenblick alle seine Kräfte versammeln kann.
Wenn jemand beispielsweise ein Karate-Meister werden möchte,
muss er diesen Weg beschreiten. Er wird auf seinem Weg logischerweise immer
wieder entdecken, dass er nicht ganz gesammelt (=ganz =heil) ist. Er wird sich
daher auf die Suche machen müssen nach den „Störungen“ und so wird er es nicht
vermeiden können, die Wahrheit zu erkennen, die eben wieder die eine ist: dass
es so etwas wie eine „eigene Energie“ nicht gibt, sondern dass es eben nur eine
Energie gibt und dass diese Energie nicht nur die ist, aus der alles besteht
und hervorgeht, sondern dass es auch die ist, die vorwärtsdrängt in eine klar
erkennbare Richtung: in Richtung Bewusstheit. Die ganze Evolution drängt in
Richtung Bewusstheit, in Richtung Selbsterkenntnis. Und am Ende dieses
Prozesses gibt es nur eine Konsequenz, nämlich sich voll und ganz jener Energie
anzuvertrauen. Und das ist wieder (so wie schon bei jeder Bewältigung einer
jeden Aufgabe in der Vergangenheit) ein über sich hinaus Gehen, das
letztmögliche über sich hinaus Gehen. Am Ende natürlich ein sich völlig darin
Verlieren. Wieder eine Art Tod und dann die letzte Auferstehung im bewussten
Erleben der Einheit, im Wahrnehmen der Welt aus der Perspektive Gottes, im Gott
Sein – selbstverständlich nicht im Sinn eines abgespaltenen Wesens. Daher gibt
es auf dieser Ebene keinen „Stolz“, keine individuellen „Ziele“ etc. Aber es
gibt, solange ein solcher Mensch noch in seinem Körper lebt, den Zug zurück in
die individuelle und zeiträumlich gebundene Existenz.
Was darüber hinaus möglich ist, weiß ich nicht, aber
natürlich könnte es Menschen geben, die das kennen. Ob mir diese Erkenntnis
helfen kann, weiß ich auch nicht. Ich bin (noch) nicht dort. Ich habe ohnehin
nur die Möglichkeit auf meinem Weg einfach immer nur die nächste Schwelle zu
überschreiten. Ich kann niemals die übernächste überschreiten, genauso wenig
wie ich mit meinem Körper den Raum überwinden kann, außer indem ich mich
kontinuierlich darin bewege. Wenn ich in einem Gebäude in den sechsten Stock
kommen will, muss ich alle dazwischenliegenden passieren. So ist es auch mit
dem Weg der Bewusstheitsentwicklung.
Den Leitfaden auf diesem Weg bilden immer die Wünsche.
Indem wir leben, verbrauchen wir Energie und die müssen wir
uns wieder zuführen. Das bewerkstelligen die Wünsche. Da Menschen komplexe
Wesen sind, sind auch die Wünsche komplex. Es gibt eine Hierarchie darin. Jeder
Wunsch geht immer in Richtung größerer Bewältigung. Deshalb heißt es in der
Bibel, dass der Mensch Beherrscher der Natur sein soll. Das ist natürlich
dogmatisch missverstanden worden als Erlaubnis zur hirnlosen Ausbeutung.
Logischerweise geht es aber zunächst um die Herrschaft im eigenen Haus. Wer
sich nicht selbst beherrschen kann, wird auch sonst nichts beherrschen.
Die spirituelle Entwicklung ist ohne Selbstbeherrschung nicht
möglich.
Wenn ein Mensch sich soweit gehen hat lassen (so wenig
Selbstbeherrschung hatte), dass er durch eine Sucht dem Tode nahe ist, sich
also mit dem eigenen Tod konfrontiert sieht, hat er aber immer noch die Chance
zur Umkehr und es sind nicht wenige, die diese letzte Chance nutzen, denn wenn
sie sie nicht nutzen, sind sie tot. Jeder hat also gewissermaßen eine Chance
bis zum letzten Moment. Nur wenn dieser Moment ungenutzt vorübergegangen ist
und der Tod eintritt, gibt es natürlich keine Möglichkeit mehr zur Umkehr. Und
dieses Bewusstsein ist natürlich die Hölle.
Die Umkehr besteht in der Erkenntnis, dass die eigene Kraft
nicht ausreicht, dass es da aber vielleicht noch eine andere Kraft geben
könnte, ja dass diese Möglichkeit immer stärker in Betracht gezogen wird, bis
schließlich die Kapitulation, die Übergabe des eigenen Schicksals an diese
Kraft erfolgt. Und damit beginnt der Aufstieg auf der Leiter der Bewusstheit.
In der Bibel erscheint diese Leiter im Bild von der „Himmelsleiter“, die Jakob
gesehen hat.
Die meisten Menschen aber bleiben, wie schon gesagt, irgendwo
stehen. Sie wollen sich nicht länger abmühen und aussetzen. Sie leben lieber
mit der Lüge und der daraus resultierenden Schwäche, die schließlich auf
irgendeine Weise sogar zum vorzeitigen Tod führen wird – unausweichlich.
Sie sind dazu übergegangen, sich zu beklagen und sich den
Klagen anderer auszusetzen und vor allem sich selber zu bedauern – und das
Schicksal nicht zu akzeptieren. Trotz der negativen Folgen ist es möglich, in
diesem Zustand zu verweilen, sogar bis zum Tod oft erst nach vielen
Jahrzehnten, ohne je zum Bewusstsein zu erwachen. Es wirken starke Kräfte in
diese Richtung, nämlich die extrem starke Suche nach Mittätern, die bewirkt,
dass diese Menschen sich gegenseitig in ihren Illusionen bestärken und
festhalten und sich gegenseitig dafür belohnen, dass auch die Anderen sich mit
der Unwahrheit zufrieden geben – oder mit einer Teilwahrheit, was letzten Ende
eben auch eine Unwahrheit ist. Das ist die sogenannte „normale“ Welt.
In dieser sogenannten „normalen“ Welt herrscht daher jene
Abhängigkeit vom Nichtaufdecken der Wahrheit. Biblisch ausgedrückt, herrscht
hier „der Mammon“. Das ist nämlich der „Gott“, der die letzte Wahrheit nicht
zulässt. Man belohnt sich gegenseitig dafür, dass man sich nicht aufdeckt.
Deshalb werden in der „normalen“ Welt die Menschen so oft verfolgt, die sich um
Wahrheit bemühen. Das bedroht die „normale“ Welt. Die Wahrheit macht ja alle
auf ihre Schwäche aufmerksam und die wollen die „normalen“ Menschen nicht
sehen. Sie sind zu stolz dafür. Sie wagen es nicht, sie sich einzugestehen. Sie
wollen ja immer gut dastehen vor den Anderen. Sie wollen immer irgendwer sein,
eine Rolle spielen für die anderen, bestätigt werden von den Anderen, weil sie
jene andere Bestätigung überhaupt nicht kennen, die durch die Wahrheit erfolgt.
Anstatt jener mickrigen Existenz, die nicht einmal ihre
eigenen Wünsche sich erfüllen kann und natürlich Angst hat, das jemand das
bemerken und ausnutzen könnte, erscheint in der Wahrheit, d.h. im Eingeständnis
des eigenen irreparablen Ungenügens, eine völlig andere Existenz, eine Art
Fusion mit dem All mit geradezu unendlicher Energie, die nun aber nicht mehr im
Sinn des biblischen „Baal“, also des sich gegenseitigen Übertrumpfens
eingesetzt wird , sondern zur Förderung der Bewusstheit aller.
So ist die Energie des Alls. Sie drängt auf allen Kanälen in
Richtung Bewusstheit. Und nichts befriedigt mehr, als die Energie durch sich
fließen zu lassen. Das ist der biblische „Himmel“. Einen anderen Himmel gibt es
nicht. Dieser Energie das Fließen zu verweigern macht die biblische „Hölle“.
Wenn der letzte Richter im letzten Gericht Jesu sagt: „Ihr
die ihr mich krank gesehen habt und mich besucht habt“... etc., meint er nicht
mehr oder weniger als diejenigen, die dieser Energie gefolgt sind. Denn das
sind die „Taten“ jener Energie. Es ist keine Leistung. Es ist nur ein Folgen,
ein Nachgeben in den natürlichen Drang. Deshalb Jesu Beispiel mit dem
barmherzigen Samariter, also eines Menschen der keine Ahnung hatte von Moral
oder Gesetz, der nur ein natürliches Gespür hatte, dem er gefolgt ist.
Es zur Grundlage einer
„neuen“ Moral zu machen, zeigt nur ein grundlegendes Missverständnis. Wir
brauchen diese Moral nicht, denn es ist uns ein natürliches Bedürfnis, ein
natürlicher Drang, zu handeln wie der „barmherzige Samariter“. Wir brauchen
diesen Drang nur nicht behindern durch unsere Gedanken, wie der Priester und
der Schriftgelehrte im Beispiel Jesu es getan haben. Die Moral ist keine Hilfe,
sie ist ein Hindernis. Trotzdem kann sie auch als Hilfe benützt werden, aber
erst, wenn ein Mensch sie als eine Art Mahnung zur Wachsamkeit verstehen kann,
als eine Art Wecker, also erst, wenn ein Mensch ihre ursprünglich intendierte
Bedeutung erkannt hat. Dazu muss er natürlich auf dem Weg der
Bewusstheitsentwicklung schon ein gutes Stück gegangen sein.
Im Gegensatz zu einem „Kurs in Wundern“ ist dieser Weg ein
Kurs jenseits der Wunder, ein Kurs in Realität – in ihrer tiefsten Tiefe – und
das ist eben nicht das Außergewöhnliche. Und doch ist es eine Offenbarung. Die
Offenbarung schlechthin.
Auf diesem Weg erscheint von selbst das, was dann später von
Menschen mythologisiert „Offenbarung“ genannt wird. Für die, die es in einer
Art von dogmatischen Sinn „Offenbarung“ nennen, ist es aber keine Offenbarung,
sondern eben ein Dogma, ein für wahr halten, ein bloßer Glaube, dem die
Erfahrung fehlt. Ein Buchstabe. Und an dem hängen sie, weil sie die Realität
nicht kennen.
Aus diesem Buchstabenglauben entstehen dann die Rivalitäten
zwischen verschiedenen „Offenbarungen“ mit all den bekannten Folgen. Und auch
innerhalb einer „Offenbarung“ die Verfolgung all derer, die eine bestimmte
vorherrschende Sicht nicht unterstützen.
Ganz anders ist das natürlich bei denen, die die Offenbarung
persönlich kennen. Sie wenden sich manchmal zwar auch gegen Menschen und
Tendenzen, aber eben nicht um persönlich recht zu haben, sondern um die
allgemeine Bewusstheit zu fördern. Sie stehen im Dienst der Bewusstheit. Die
Buchstabengläubigen wollen die Bewusstheit verhindern, weil eine größere
Bewusstheit nämlich schmerzhaft für sie wäre. Sie verlören gänzlich ihre
(eingebildete) Bedeutung. Sie wären plötzlich nichts mehr. Das ertragen sie
nicht.
Es scheint also in der Welt eine Art Kampf zwischen „gut“ und
„böse“ zu geben. Aber das ist nicht jener Kampf zwischen Bewusstheit und
Unbewusstheit. Die „Guten“ und die „Bösen“ leben beide in der Illusion. Wer von
den beiden die größere Chance auf Bewusstheit hat, ist nicht von vornherein
entschieden. Der Kampf um Bewusstheit beginnt erst nachher, jenseits von gut
und böse, also wenn die „Guten“ eingesehen haben, dass sie in Wirklichkeit gar
nicht gut sind und wenn die „Bösen“ eingesehen haben, dass sie in Wirklichkeit
nicht böse sind.
Es
ist einfach so: Die Energie drängt auf Bewusstheit, die Trägheit, will
Bewusstheit behindern. Das ist alles. Es gibt, wie schon gesagt, keine „böse
Macht“. Es gibt nur eine Behinderung dieses Drängens durch irgendetwas. Es steckt keine Absicht dahinter. Es ist
einfach nicht zu vermeiden dass alles, was ist, auch einen Schatten wirft, der
andere gelegentlich des Sonnenlichts beraubt. Interferenz ist die Ursache allen
Übels. Und Interferenz lässt sich unter gar keinen Umständen vermeiden. Sie ist
notwendig gegeben durch die Existenz von etwas. Alles Existierende muss ja
seine Energie von irgendwoher nehmen, sie irgendetwas anderem wegnehmen. Es
geht nicht anders. Das Leben ist auf dem Tod aufgebaut in jeder Hinsicht.
Da diese Tatsache nicht verändert werden kann, geht es nur um
die Frage, wie sich ein Mensch verhält, auf den ein Schatten irgendeiner Art
gefallen ist. Ob er hypnotisiert wird von dem Schmerz oder ob er sich davon
wieder lösen kann. Alle Kranken irgendeiner Art sind hypnotisiert, solange sie
krank sind. Der Wendepunkt kommt, wenn sie sich abwenden können von dem
Schatten, wenn sie wieder das Licht sehen können. - Wenn sie den Schmerz
richtig fühlen, werden sie sich abwenden können, sie werden sich zutiefst
abwenden wollen. Ganz viele Menschen scheinen sich aber nicht abwenden zu
können von dem Schatten. Sie sind gefangen in der gut/böse-Welt. Sie glauben,
wenn sie leiden, wären sie im Recht, wären sie also gut und diejenigen, von
denen der Schmerz kommt, wären schlecht. Und so genießen sie den Schmerz oft
(natürlich ohne sich das einzugestehen), um besser zu sein. Natürlich können
sie auf diese Weise nicht herauskommen und sie werden daher Betäubungsmittel
brauchen.
Wenn ein Mensch aus einer solchen Hypnose erwachen soll, muss
er den Schatten aushalten, ohne auszuflippen. Er muss Schmerz ertragen können.
Das muss er lernen. Deshalb ist der Weg der Bewusstheitsentwicklung ein
schmerzhafter Weg.
Nicht
dass die Unbewussten weniger Schmerzen hätten, sie betäuben sich nur und sie
nehmen den Schmerz nicht freiwillig auf sich. Er wird ihnen vom Leben
aufgezwungen. Deshalb sind sie dem Leben auch oft böse. Sie meinen, sie wären
„gut“ und „das Leben“ wäre „böse“, oder eben ihre Mitmenschen. Sie fühlen sich
dauernd als Opfer und wollen sich ständig rächen. Das ist die das Kennzeichen
der Unbewusstheit. Die Bewussten wissen, dass es nichts zu rächen gibt, weil
nämlich alles in bester Ordnung ist. Es könnte nicht besser sein! Selbst wenn
sie im Augenblick etwas trifft, was andere für ein großes Unglück halten würden,
wissen sie das und erfahren sie das. Die Unbewussten haben höchstens eine
Ahnung davon, manchmal, in Augenblicken, in denen die Bewusstheit
durchschimmert. Die Bewussten sehen die Notwendigkeit, so wie Jesus sie gesehen
hat. Natürlich hat er sich nicht verweigert, sondern den Schatten auf sich
fallen lassen, die Schmerzen ertragen einschließlich seines physischen Todes.
Das Ergebnis ist bekannt. Höchste Bewusstheit und ein Maß von Wahrheit, das
kaum je erreicht wird und dessen Wirkung (auf uns „Schweine und Fische“) daher
kaum zu übertreffen ist.
So
wirkt auch der Schatten in Richtung Bewusstheit. Außerdem erzeugt er ohnehin
den Wunsch, ihn zu verlassen – oder den Wunsch, sich darin auszuruhen. Das
alles ist nämlich einem bewussten Menschen möglich. Er darf der Wahrheit
Ausdruck verleihen. Und manchmal wird er böse sein. Und das werden die
Betroffenen dann merken und sie werden aufwachen – oder sich in Richtung Tod
weiter verhärten. Entweder bewusst werden oder sterben, das sind die
Alternativen. Ganz natürlich. Eine Übernatur ist da nicht nötig. Aber natürlich
kennt niemand die Grenzen der Bewusstheit. Unser Vorstellungsvermögen ist immer
durch das begrenzt, was wir kennen. Daher können wir nicht sagen, was wirklich
möglich ist.
Alle
Rede über ein „Leben nach dem Tod“ ist unehrlich. Niemand weiß etwas darüber.
Aber wozu sollten wir uns Gedanken machen über etwas, das wir nicht wissen
können, wo der Weg zur Bewusstheit uns doch schon genug fordert an dem Platz,
an dem wir sind. Wir können doch nur sagen, was der Apostel Paulus schon gesagt
hat: „Kein Auge hat es gesehen und kein Ohr hat vernommen, was Gott denen
bereitet, die ihn lieben“ (1 Kor 2,9). Das ist eine ehrliche Projektion. Wenn
wir davon ausgehen, was durch unsere Bewusstheit jetzt möglich ist, dann wissen
wir, dass eine noch tiefere Bewusstheit noch viel befriedigender sein muss als
unsere gegenwärtige. Aber das reicht auch schon an Spekulation. Alles darüber
hinaus ist Betäubung, eine ersatzweise Befriedigung in der Phantasie. Wir sind
jetzt hier und da liegt das Feld unserer Bewusstheit. Was natürlich nicht
heißt, dass wir nicht in unserem Jetzt, wie Paulus weiter schreibt, uns vom
Geist in die Tiefen Gottes führen lassen könnten (ebd.) – wenn dieser Geist es
will. Ein bewusster Mensch ist ja nicht der Herr seines Schicksals. Er weiß
das. Daher entscheidet er nicht willkürlich, er lässt sich nur führen. Dadurch
erscheint er sehr selbstbewusst. In Wirklichkeit misstraut er sich selbst
total, vertraut dafür aber umso mehr dieser Führung durch „den Geist“. Auf sie
allein richtet sich seine Bewusstheit. Diese Bewusstheit ist also einfach ein
Wahrnehmen, ein Fühlen und in diesem Fühlen „offenbart“ sich die Wirklichkeit
und in ihr der nächste Schritt. Der Rest bleibt im Dunkel. Mehr ist nicht nötig,
um ein bestmögliches Leben leben zu können.