Bisherige Religion und die Religion der
Zukunft
(15. 9. 2001)
Die bisherigen religiösen Formen haben die
Aufmerksamkeit auf ein Detail gerichtet, das heute nicht aktuell ist, nämlich
das Jenseitige. Damit will ich nicht sagen, dass das Jenseitige nicht wieder
aktuell werden kann. Das nächste mal aber nur in erhöhter Bewusstheit. Zur Zeit
befinden wir uns nicht in dieser Phase der Entwicklung, sondern die
gegenwärtige Phase braucht ein anderes Detail des Ganzen als Symbol für das
Ganze. Es ist diesmal das Ganze selbst, auch so bezeichnet, also nicht mehr
„Gott“, denn es ist „das Ganze“. Das Ganze ist natürlich auch „die Kraft“ und
das Leben selbst. Wir könnten es genauso gut „Gott“ nennen, wenn sich dieser Begriff
nicht mit einschränkenden Bedeutungen gefüllt hätte. Was „Gott“ genannt wird,
ist eben leider oft nicht das Ganze, sondern ein Etwas gegenüber der Welt, als
ein Zweites. Aber es gibt kein Zweites. Es gibt nur Eines. Und in dem sind wir
alle enthalten.
Wir sind nur die Erscheinungsformen dieses Einen –
daher aber genuin das, was die Christen als „Sohn Gottes“ bezeichnen. Nur ist
es uns eben nicht bewusst. Daher vernachlässigen wir uns selbst. Wir stellen
unser Licht unter den Scheffel. Doch in Wahrheit sind wir das Höchste, das es
gibt. Wenn wir es nur bedenken würden. Dann würden wir von selbst bewusst
werden. Denn das ist die logische Konsequenz. Und bewusst werden heißt, sich
des Ganzen bewusst zu werden.
Jeder Mensch, der ehrlich sich selbst gegenüber ist,
muss sich eingestehen, dass er insgeheim weiß, dass er das Höchste ist, was es
gibt auf der Welt. Doch in dem Augenblick, wo jemand das bewusst wird, wird ihm
auch bewusst, dass die anderen ebenso wie er selbst „das Höchste“ sind. Er wird
sie daher mit Respekt behandeln.
Das ist das, was dann zur „Nächstenliebe“ verkommen
ist als eine moralische Tugend, anstatt einfach eine logische und emotionale
Konsequenz der Bewusstheit zu sein.
„Sei fest und korrekt“, heißt es im I Ching immer
wieder. Das ist gemeint. Bewusst sein und handeln.
Und bewusst was? Immer wieder zunächst bewusst seine
Wünsche formulieren und äußern. Das ist der Weg. Und zu den Wünschen der
anderen Stellung nehmen. Vielleicht gibt es ja Gemeinsamkeiten. Dann können
Wünsche in Erfüllung gehen. Im gegenseitigen Einvernehmen. Ohne Beschwerden.
Das ist die Harmonie, die möglich ist. Es ist nicht die Harmonie der
Wunschlosigkeit, denn die zu behaupten, ist in jedem Fall eine Lüge. Dich vor
Enttäuschungen zu bewahren, indem du keine Wünsche mehr äußerst, führt dich nur
dazu, dass dir immer weniger Wünsche erfüllt werden, bis irgendwann aus diesem
Grund dein Lebenswille schwächer wird und erlischt.
Daran leiden und sterben die meisten Menschen. An
ungeäußerten Wünschen. Sie machen krank. Ungeäußerte Wünsche machen todkrank.
Bewusstheit kann das verhindern.
Jede Therapie kann nur darauf hinarbeiten. In der
Medizin ist das noch nicht wirklich bekannt. Man verzichtet auf Bewusstheit und
schneidet einfach das Störende weg. [Und das gleiche gilt von der bisherigen
Politik.] Und der unerfüllte Wunsch bleibt weiter unerfüllt, aber man ist jetzt
zusätzlich auch noch verstümmelt.
Ich sage natürlich nicht, man sollte darauf
verzichten, das Störende wegzuschneiden, aber man sollte nicht das alleine tun.
Man sollte das Problem an der Wurzel packen, die Wünsche entdecken und den Weg
zu deren Erfüllung beschreiten. Dann ist die Krankheit nicht mehr nötig.
In der Politik ist es ähnlich. Auch da wird nicht das
Ganze gesehen. Auch da werden ganz offenkundige Bedürfnisse einer großen Zahl
von Menschen nicht berücksichtigt, weil der ganzheitliche Blick fehlt. Die
Folge sind Erscheinungen wie der Terrorismus. Er ist ja wie eine Krankheit der
Gesellschaft. Nicht nur der Organismus, auch die Gesellschaft muss geheilt werden.
Und der Terrorismus ist eines ihrer Krankheitssymptome. Es reicht nicht, ihn
wegzuschneiden. Eine Heilung kann nur erfolgen, wenn der Grund für das Symptom
erkannt ist. Alles andere verstümmelt – und nicht nur bei denen, die
weggeschnitten werden, sondern auch bei denen, die wegschneiden. Sie schneiden
etwas von sich selbst weg. Nämlich genau das, was sie heilen könnte. Sie sind
doch ein Spiegel dessen, was sie tun. Was sie wegschneiden wird ihnen selbst
fehlen. Nämlich die Aufmerksamkeit auf ihr eigenes Ganzes. Sie behalten eine
ideologische Sicht des Lebens, eine eingeschränkte Sicht, eine paranoische
Sicht und deren Kehrseite, die Raubtiersicht.
Die Paranoiker können nicht erkennen, dass alles gut
ist. Sie glauben sich isoliert und ausgesetzt. Sie fühlen sich von allem
bedroht. Die Ursache dafür ist einfach, dass sie die Einheit nicht erfahren
haben. Ihnen fehlt diese Dimension der Bewusstheit. Es wäre aber nicht schwer,
sie zu gewinnen. Es würde genügen, sich wirklich berühren zu lassen von der Bedrohung
und einfach weiter ehrlich zu sein. Das ja ohnehin vorhandene Grauen bringt,
sobald es eingestanden ist, die Einsicht in die Einheit von selbst. Ehrlichkeit
führt in jedem Fall zur Kapitulation. Aber natürlich ist die Illusion der
Getrenntheit sehr stark. Daher braucht es das, was vielen, die es nicht kennen,
als ein Kraftakt der Selbstaufgabe erscheint, das aber eben in der Verzweiflung
kein Kraftakt mehr ist, sondern nur noch ein Nachgeben, auf das die Einsicht in
das Ganze folgt. Und in ihr erscheint das größtmögliche Glück, dieses „endlich
zu Hause angekommen“ sein, dieses sich angenommen Wissen, sicher, geborgen,
vollkommen aufgehoben.
Von da an gibt es keine Erwartungen mehr, sondern nur
noch die Freude über jeden erfüllten Wunsch, so wie bei den Kindern eben. Und
von da an wird jeder Wunsch geäußert. Es gibt kein Beleidigtsein mehr auf eine
Ablehnung hin, sondern nur noch die Weiterverfolgung der Wünsche eben dort, wo
sie erfüllt werden. – Was nicht heißt, dass es von da an keine dauerhaften Beziehungen
mehr gibt oder Lebensbündnisse. In einer bestehenden Beziehung werden bestimmte
Wünsche eben immer wieder geäußert werden müssen, und es muss auch immer wieder
für die Erfüllung geworben werden, denn es gibt keinerlei legalistischen Zwang.
Falls ein Partner auf Dauer nicht hört, ist die
Beziehung ohnehin zuende, einseitig gekündigt. Das ist übrigens das Einzige,
was eine Beziehung beenden kann, wenn einer auf Dauer nicht hört und durch
nichts zur Umkehr bewegt werden kann. Dann darf der andere sich wieder als
„frei“ betrachten. Das ist der wirklich gültige Grund für eine Lösung der
Beziehung, nicht die Tatbestände, die noch im Neuen Testament angeführt werden:
„Ehebruch“ etc.. Ehebruch ist ja nur ein spezieller Fall, in dem diese
Gehörlosigkeit vielleicht vorhanden – in dem sie vielleicht aber auch nicht
vorhanden ist. Unter Umständen gefährdet das, was „Ehebruch“ genannt wird, die
Partnerschaft ja gar nicht, die doch auf einer freien Vereinbarung freier
Menschen beruht und zu dieser Vereinbarung kann durchaus gehören, anzuerkennen,
dass eine spontane Begegnung [die zum Geschlechtsakt führt] etwas Richtiges
haben kann, so wie etwa die spontane Begegnung von David und Batseba – ganz
abgesehen von den möglichen Beziehungsvarianten der Mehrehe.
Die Zeit der Rechte aufeinander ist vorbei. Keiner hat
ein Recht, doch jeder darf sich was wünschen. Es gibt nur ein freies „Ja“, ein
erzwungenes wäre keines. Und Steinigung auf Ehebruch ist eben nur noch eine
erschütternde Reminiszenz auf barbarische Zeiten.
Wir leben im Zeitalter des Respekts voreinander. Wir
respektieren ein „Nein“, weil wir die Wahrheit respektieren und nicht in der
Lüge leben wollen.
Dafür braucht es keine Moral mit ihren Gesetzen, dafür
braucht es nur Bewusstheit. In der Bewusstheit herrscht keine Willkür
irgendeines Teils, deshalb ist Bewusstheit immer so „ethisch“ wie möglich und
deshalb löst die Bewusstheit alle Probleme und deshalb heilt sie alle Leiden.
Zwang dagegen schafft immer neue Leiden.
Bewusstheit löst alle Arten von Problemen, weil
Bewusstheit zur Kommunikation führt, zur Kommunikation der Wünsche und zur
Kommunikation der Fähigkeiten. Kommunikation überbrückt alle Gegensätze, die
zwischen den Geschlechtern samt den damit verbundenen Konflikten genauso wie
die Gräben zwischen den sozialen Klassen – vor allem aber die Gräben in uns
selbst. Diese Art der Kommunikation mit uns selbst führt uns nämlich in unsere tiefsten Tiefen und zeigt uns, wer
wir wirklich sind. Diese Art der Kommunikation führt uns zum Ganzen, sie führt
uns zu dem, was früher „Gott“ genannt worden ist, das nun aber umfassender
verstanden werden kann, eben als das Ganze, als das eine Wesen, das Wesen des
Alls und unser Wesen. Sie führt uns da hin zu sehen, dass wir wirklich
göttliche Erscheinungen sind. Dass wir es aber nur dann auch sein können, wenn
wir das erkannt haben. Das ist die Bedeutung des Ausspruchs bei Johannes, dass
wir die Macht hätten, Kinder Gottes zu werden – eben nicht, dass wir es nicht
längst gewesen wären, aber dass wir es nur sein können, wenn wir uns dessen
auch im vollen Umfang bewusst sind. Und das bedeutet logischerweise, dass wir
nicht glauben, nur wir wären göttliche Erscheinungen. Diese beschränkte Sicht
tritt häufig im Zustand der Paranoia auf, als deren Gegenpol, als Zustand der
Manie. In der Manie glauben Menschen, sie wären etwas Göttliches, die anderen
aber wären nur gewöhnliche Geschöpfe. Und entsprechend führen sich die Maniker
dann auch auf, unerträglich für die anderen, weil völlig durchgedreht. Die
Phase der Paranoia ist eben noch nicht beendet. Sie wird erst beendet, wenn
dieser Mensch bereit ist für die tiefere Wahrheit, nämlich dass alles eins ist
und er nur ein Teil, eben ein besonderer Ausdruck des einen Wesens, so wie alle
anderen auch.
Von da an muss die Bewusstheit sich ausbreiten in alle
Lebensbereiche hinein.
Darum sollte es in jeder Religion gehen und nur darum.
Alles andere ist Missbrauch und Aberglaube. „Aberglaube“ ist ja ein Glaube, der
nicht bewirkt, was er verspricht, bzw. ein Glaube dessen unbewusste negative
Nebenwirkungen die positiven Wirkungen zunichte macht. Und „Missbrauch“ sind
Geschäfte mit der Unbewusstheit, wenn sie im Namen des „Einen“ getätigt werden.
Das geschieht ja immer um Macht und anderer Vorteile willen, für Ehre, Geld,
Einfluss etc.. Die gegenwärtigen Strukturen, der Kirche und ihrer Riten zeigen,
dass der Missbrauch immer noch vorhanden ist. Und diesem Missbrauch entspricht
in gleichem Maß der Aberglaube, mit dem der Missbrauch gerechtfertigt wird. Sie
sind die zwei Seiten einer Medaille. Genau diesen Missbrauch hat Jesus bei den
religiösen Autoritäten seiner Zeit festgestellt. Luther hat ihn vor 500 Jahren
festgestellt und ich stelle ihn heute immer noch fest. Bewusstheit ist in
diesen Bereich immer noch nicht ganz vorgedrungen. Es ist auch zu peinlich.
Aber es ist beweisbar: Die Strukturen der Vorschriften, Vorgehensweisen und
Riten zeigen es. Ihre Ausgangsbasis ist oft nicht Kapitulation, nicht Hingabe,
nicht der Heilige Geist, sondern ein anderer Geist, der Geist der Separatheit,
des Ausscherens aus dem Ganzen, eben um sich persönliche Vorteile zu
verschaffen. Dieser Geist braucht zu seiner Rechtfertigung immer einen
Aberglauben, eine Ideologie. Hier ist der Ort, wo der Teufel mit Beelzebub
ausgetrieben wird. Angst ist die Basis. Die Heilung fehlt. Das ist bedauerlich.
Heilung ist jedem zu wünschen. Die abgetrotzten Vorteile bringen sie nicht [die
Heilung].
Die Heilung kommt von der Wahrheit, denn die Wahrheit
führt zur Kapitulation des separaten Wesens und zum sich Einfügen in das Ganze.
Die Heilung ist besser als alle „Vorteile“. Sie bringt dann allerdings sogar
Vorteile, aber nicht auf Kosten anderer, sondern zugunsten anderer, weil die
Geheilten alles ins Ganze reinvestieren, damit die Bewusstheit wachsen kann.
Das ist das Gesetz des Ganzen. Dem haben die bewussten Menschen sich eingefügt.
Sie durchschauen daher jede Ideologie und jeden Aberglauben, denn sie sehen die
Separatheit.
Sie zeigt sich in der offenbaren Lüge, darin
beispielsweise, dass versprochene Vorhersagen nicht eintreffen, etwa das
Erscheinen des Heiligen Geists im Vollzug eines bestimmten Ritus oder das
Verschwinden eines üblen Geists bei einem anderen Ritus. Die positive Wirkung
tritt nicht ein, obwohl es behauptet wird. Man hat dies schon länger bemerkt
und daher den Ritus selbst juridisch-dogmatisch abgesichert als „opus
operatum“, indem man also sagte, dass der Vollzug genügt. Leider ist das aber
ein Irrtum. Der Irrtum entstammt einem Verschleierungsversuch. Indem man die
Kirche der Prüfbarkeit entheben wollte, musste man sie zu einer Art magischen
Institution machen, mit unschätzbaren magischen Kräften ausgestattet. So hat
man die Magie für den Geist substituiert. Natürlich war das ein schlechter
Tausch. Das Ergebnis war eine Masse Hypnotisierter (unbewusst Abhängiger),
abhängig von einer Schar privilegierter Hypnotiseure/Manipulatoren, die leider
aber selbst unbewusst und abergläubisch waren, aber logischerweise nicht böse
über die Vorteile, die ihnen dadurch erwuchsen und daher durchaus geneigt, auf
diese Weise weiterzumachen.
Die Unbewusstheit entschuldigt ihr Vorgehen. Sie sind
wahrhaftig Opfer ihrer eigenen Ideologie, wenn auch angenehm entschädigt durch
Position, Ansehen, guten Lebensunterhalt. Einige sind für die Ideologie sogar
in den Tod gegangen. Sie haben die Bewusstheit sicher erfahren. Die anderen
können sie nicht erfahren, jedenfalls so lange nicht, solange sie als
unbewusste Manipulatoren agieren.
Es geht mir hier nicht um eine Anklage, sondern nur um
die Feststellung eines Bedauerns. Wir alle sind Menschen und allzu versuchbar.
Bewusste Menschen wissen das. Sie erheben sich nicht. Aber sie nennen die Dinge
beim Namen. Darauf will ja auch die Szene im Schöpfungsbericht hinaus, wo der Menschen
allen Wesen Namen gibt. Die richtigen Namen sind immer die Namen der Wahrheit.
Und die richtigen Namen heilen. Bewusstheit heilt.
Es ist höchste Zeit für die Kirche, sich zu besinnen
und den Tatsachen ins Auge zu sehen. Es wird Zeit, sich selbst zu verstehen,
d.h. sich eingebettet ins Ganze zu sehen und zu sehen, was das Ganze wirklich
ist.
Daraus ergeben sich natürlich viele praktische
Konsequenzen.
Zunächst eine schonungslose Aufdeckung der Lügen der
Vergangenheit. Durch Beweise. Ich werde sie liefern, andere werden sie liefern
und viele haben sie bereits geliefert.
Der nächste Schritt ist Kapitulation, das Haupt beugen
vor der Wahrheit.
Darauf folgt der nächste Schritt, nämlich die nötigen
Klarstellungen. Es geht im Grund nur darum, dass selbst die Kirche auch
praktisch anerkennt, dass es da noch jemand/etwas über ihr gibt, nämlich das
Ganze. Und das ist heute auch das Ganze der Welt. An ihm wird sich zeigen, ob
die Kapitulation vollzogen ist. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen,
heißt es ja. Das Ganze anerkennen, heißt natürlich anerkennen, dass das Ganze
seit je her überall wirkt und nicht nur im Religionenfundus von Palästina. Das
heißt anerkennen, dass es andere, ebenbürtige Wege gibt, etwa den Weg des Islam
oder den Weg des Buddha oder die Wege der Hindus oder die Wege der Indianer
oder die Wege der Australischen Ureinwohner oder anderer. Das bedeutet, ihre
ebenbürtige Wahrheit anerkennen. Der Menschensohn ist seit je her überall am
Werk, die Menschen zu größerer Bewusstheit zu führen. Und mehr ist nicht
möglich. Alles andere ist Aberglaube.
Der Ursprung des Aberglauben ist die lokale
Beschränktheit am Ort des Ursprungs einer Religion. Diese Beschränktheit muss
heute gesehen werden. Es wird daher jetzt für alle Religionen Zeit, diesen lokal
beschränkten Aberglauben aufzugeben und die Wahrheit zu sehen, nämlich dass
alles [dass das Ganze] seit je her überall wirkt, weil es ein einziges
lebendiges Wesen ist, das sich entwickelt, das mit aller Kraft Bewusstheit
entwickeln will und entwickelt. Bewusstheit seiner selbst. Den gesamten Gang
seiner Entwicklung zu überblicken, das ist Bewusstheit und in ihm gleichzeitig
doch allein konzentriert auf einen Punkt zu bleiben, das ist Bewusstheit. Das
Ganze selbst möchte, dass wir es sehen und dass wir es so sehen.
Das Ganze ist das Unvorstellbarste überhaupt. Alles
ist doch darin enthalten. Das ist der Sinn der Feststellung aller Religionen,
dass Gott etwas Unvorstellbares sei.
Alles ist sinnvoll nur in diese eine Richtung:
Bewusstheit. Wenn die Religionen anfangen, davon zu sprechen, haben sie zu
ihrem Ursprung zurückgefunden, der immer in Bewusstheit lag. Bedauerlicherweise
gibt es in allen Religionen aber eben auch die Tendenz zur Korruption, zum
Ausscheren aus dem Ganzen, um etwas für sich privat zu gewinnen. Ihre Worte
sprechen vom Ursprung, aber ihre Taten weisen in die andere Richtung. Die
Wahrheit ist der Schlüssel zur Umkehr, zur Rückkehr ins Ganze. Die Wahrheit ist
der Schlüssel zur Bewusstheit. Nämlich: Die Wahrheit aushalten, dass wir nicht
nur nicht perfekt [denn in Wirklichkeit sind wir perfekt], sondern völlig
pervertiert sind in dem, dass wir uns vom Ganzen separiert haben. Sobald wir
zurückkehren, sind wir nämlich perfekt. Das Ganze hat uns gefehlt. Dieses
Fehlen kann uns nur krank machen. Die Krankheit ist ein Anzeiger, dass etwas
nicht stimmt. Es ist nicht die Frage nach einer Schuld, sondern nur die Frage
nach dem, was uns fehlt. Diese Frage wird uns gesund machen. Sie wird uns
heilen, egal an welcher Krankheit wir leiden. Die Heilung wird aber nicht
unbedingt in einer Rettung unseres Lebens bestehen, sondern im Heimfinden, und
wenn es nur für Tage oder Stunden oder Sekunden war. Die es erfahren haben,
sind angekommen und können gut hinübergehen, sie sind bestens vorbereitet,
hinüberzugehen in die andere Sphäre, von der wir nichts wissen.
Die „Auferstehung Jesu“ sagt nichts – und doch alles –
über ein Leben nach dem Tod. Sie ist ein Mythos. Sie ist wahr, aber nicht in
dem gleichen Sinn, in dem kürzlich das World Trade Center zerstört worden ist,
deshalb ein Mythos. Sie ist eine Wahrheit einer tieferen Ordnung: So einer wie
Jesus repräsentierte das Leben selbst. Wer sollte das Leben umbringen? Das geht
nicht. Das Leben lebt immer weiter und es geht durch die Phase des Todes
hindurch, immer wieder. Das Leben ist Bewusstheit durch Tod und Auferstehung
hindurch. Diesen Geist hat Jesus offenbar gemacht und dieser Geist pflanzt sich
seit je her fort. Er ist ja immer da in allem und in jedem. Die Dunkelheit
entdeckt in sich immer mehr durch ihr Leiden den Weg zum Licht. Aber es ist ein
Weg, es ist keine „instant“-Erleuchtung. Es braucht die Erfahrung des Leidens.
Sonst fällt das Loslassen den meisten doch zu schwer. Gut natürlich, wenn ein
Mensch nicht zu sehr dafür leiden muss.
Den Grad des Leidens, so wurde früher gesagt, bestimmt
das Karma, das jemand in früheren Leben auf sich geladen hat. Was immer es
bestimmen mag, wir brauchen das nicht in irgendeiner Weise dogmatisch
festlegen, das Leiden ist da, es ist eine Realität, und warum auch immer manche
Menschen so viel davon aufgebürdet bekommen, sie müssen es tragen, wenn es da
ist. Es ist ja ihre Chance, nämlich zurückzukehren in das Ganze. Von da an wird
es verwandelt sein. Wir lehnen es dann nämlich nicht mehr ab, sondern wir
stimmen ihm zu, denn es ist uns vom Ganzen verordnet, aus welchem Grund auch
immer. Wir nehmen es an, weil wir das Ganze annehmen, wie es uns annimmt. Wir
haben darin eine Rolle zu spielen und wir stimmen dieser Rolle zu. Und (nur) in
dieser Rolle wachsen wir über uns selbst hinaus, denn nun sind nicht mehr wir
es, die uns lenken, sondern es ist das, was Jesus seinen „Vater“ nannte. Es ist
unser Vater. Es sorgt sich um uns, denn wir sind ihm wichtig. Es wird Zeit,
dass wir das erkennen.
Das ist das neue Christentum. Das ist der neue Geist:
Bewusstheit. Oder, nochmals in den Worten Jesu: der Geist der Wahrheit. Und
genau das ist auch das alte Christentum. Wir können zu ihm zurückkehren, aber
heute auf neuen Wegen.
Die Wege haben sich auch in der Vergangenheit immer
wieder gewandelt. Sie werden sich weiter wandeln, weil die Entwicklung nicht
aufgehalten werden kann. Entweder die Wege wandeln sich mit oder sie
müssen/werden verlassen werden. Das ist die Wahrheit der Stunde.
Wir können dem Christentum nicht zum Vorwurf machen,
dass es im Mittelalter versagt habe, es musste wie die ganze damalige Welt
durch eine Phase der Integration grausamster Stammeskulturen mit der
Zivilisation der Römer. Das hat zunächst das Licht der Erkenntnis wieder
verdunkelt. Das hat das magische Element in der Religion verstärkt. Und der
Informationsvorsprung hat Privilegien gebracht. Auch das ist normal.
Auch das Fallen in einer Versuchung ist normal, das
geschieht in der separaten Existenz ständig, sogar die größten Asketen fallen,
und wenn nur in Gedanken. Sie wissen es. Es gibt nur ein Ende dieses Fallens
und das ist die Rückkehr ins Ganze.
Jesus war in dem Ganzen und er hat seine Rolle
gespielt, die ihm vom Ganzen zugedacht war. Der Vater hat ihn gelenkt. Wir
sollen [in der Nachfolge Christi] auch vom Vater gelenkt werden. Niemand lenkt
besser. Deshalb gewinnen die „Guten“ im Mythos immer gegen die „Bösen“. Die
„Bösen“, das sind die Separierten. Sie sind böse, weil ihnen etwas fehlt. Sie
versuchen alles, um es zu substituieren, aber es gelingt ihnen nicht. So werden
sie böse. Das ändert zwar auch nichts, aber dadurch können sie sich weiterhin
im Recht fühlen. Es ist ihnen etwas verweigert worden, deshalb wollen sie es
sich anderswo holen, ein Defizit durch ein Übermaß von etwas anderem ersetzen.
Das aber ist ein schlechter Tausch. Es ist ungesund. Aber wenn man schon mal in
dem Teufelskreis gefangen ist, dann sieht man auch keinen Ausweg, als immer so
weiter zu machen, bis es eines Tages ein böses Erwachen gibt. Die Wahrheit
lässt sich nicht für immer verbergen. Sie drückt sich selbst aus. Der innere
Widerspruch wird irgendwann eine außen sichtbare Form annehmen, etwa in Form
einer Krankheit, eines Unglücks oder einfach des psychischen Grauens der
Vergeblichkeit.
Aber: „Wenn ein Mensch schuldig geworden ist, auf dem
Weg wird er entkommen“, heißt es bei Lao-tse. Entkommen heißt loskommen von der
Schuld, vollkommen entschuldigt werden. Der Weg (für alle Menschen und
natürlich für alle Religionen) ist die Rückkehr ins Ganze. Sie geschieht allein
durch Bewusstheit. Durch Wahrheit. Auf diesem Weg wird alles gut. Es ist eben
wie bei der Rückkehr des verlorenen Sohnes. Was immer er sich zuschulden hat
kommen lassen. Er wird aufgenommen, wenn er zurückkehren will. Alles ist
vergeben und vergessen. Aber natürlich nicht für den Zurückgekehrten. Er wird
von selbst, aus seiner Natur des Ganzen heraus, Schadenersatz leisten, nach
seinen Kräften. Das ist nun aber keine Demütigung mehr, weil ohnehin das ganze
Leben eine Art Dienst geworden ist, ein durchaus freudiger Dienst aber, auch im
Fall des Schadenersatzes.
Auch die Stars haben ihre Rolle in dem großen Konzert.
Wir dürfen davon ausgehen, dass ihre Bewusstheit die unsere übersteigt. Sie
haben ihren Dienst angetreten, und dieser wird in ihrem Fall reich belohnt. Sie
haben eine gute Rolle zugeteilt bekommen, die natürlich ihre besonderen
Schwierigkeiten und ihre Fallen hat. Auch sie stehen im Dienst der Bewusstheit,
sogar Pornostars stehen im Dienst der Bewusstheit und genauso Prostituierte.
Aber eben nicht notwendigerweise. Manche erliegen einer der Fallen. Vielleicht
werden sie drogensüchtig oder der Ruhm steigt ihnen zu Kopf und sie werden
überheblich und sondern sich dadurch ab. Das alles hat natürlich Konsequenzen:
Schmerzen und diese Schmerzen führen entweder zur Kapitulation oder zum Tod.
Also in jedem Fall zur Rückkehr in die Einheit.
Wir brauchen keine Angst haben, dass die Einheit uns
unsere Individualität raubt, denn das Gegenteil ist der Fall. In ihr erblüht
erst unsere Individualität.
Die bei so vielen vorhandene Angst, die Individualität
zu verlieren, ist auch mitverursacht durch die Bigotterie, durch den
Aberglauben der traditionellen Religionen mit seinen sektenhaften
Beschränkungen. In einer Sekte verliert man ja tatsächlich seine
Individualität. Gewisse Fakten der eigenen Natur dürfen da nicht sein. Man wird
mit ihrer Hilfe schuldig gemacht und dadurch abhängig vom Vergebensmodus der
Sekte. Das ist so bei allen Sekten, auch in der katholischen Kirche.
Anders verhält es sich aber bei den ursprünglichen Einweihungskulten,
die Formen künstlicher Beschränkung als Mittel der Bewusstheitsentwicklung
einsetzen und dabei wissen, was sie tun. Oft sind von solchen Kulten aber
inzwischen auch nur noch leere Traditionen übrig geblieben und das Ziel ist aus
den Augen verloren worden. Was dann noch hält, ist der Aberglaube, und hinter
ihm der Nimbus, der vielleicht noch nicht erloschen ist. Solange dieser Funke
der Wahrheit noch da ist, ist auch eine Wiederbelebung möglich. So auch in der
katholischen Kirche.
Die Frage, die bleibt, ist die, wie die katholische
Kirche ohne Gesichtsverlust kapitulieren kann? Durch den Geist wird es möglich.
Der Geist zeigt uns nämlich, dass wir alle fehlbar sind und dass es nur darauf
ankommt, so schnell wie möglich wieder zu ihm zurückzukehren. Auch die Kirche
wird einen verständnisvollen Vater vorfinden, wenn sie zu ihm zurückkehrt.
Es muss einfach eine Öffnung stattfinden in diese
Richtung. Es braucht keine Schulderklärungen, obwohl die auch sein dürfen und
zu keinem Gesichtsverlust führen werden. Eine Schulderklärung ist aber keine
Bedingung. Es reicht die Öffnung. Es reicht, das Hindernis zu beseitigen und
den Geist wieder strömen zu lassen. Alles andere ergibt sich von dort aus.
Es gibt auch keine Vorwürfe, es gibt nur Feststellungen
von Tatsachen. Offenbare Behinderungen des Geists müssen beseitigt werden. Das
geschieht, wie gesagt, am Besten durch eine geistige Öffnung, durch eine
erlaubende Haltung, durch eine nicht bewertende Haltung, durch eine Haltung des
Ja der Wahrheit gegenüber – und damit verbunden eine Bereitschaft, sich
vielfältig überraschen zu lassen, ohne beleidigt zu sein.
Das für die Religion Gesagte, gilt natürlich auch für
andere Bereiche der Gesellschaft, für die Medizin und für die Politik. Auch sie
können die Rückkehr ohne Gesichtsverlust hinkriegen. Sie bietet ja eine reale
Lösung ihrer ungelösten – und bis jetzt für unlösbar gehaltenen – Probleme.
Beide müssen eben einen bewussten und als ebenbürtiges Ziel definierten Beitrag
leisten zur Entwicklung des Unentwickelten. Ebenbürtig zum Geschäft. Ohne
Entwicklung des Unentwickelten wird das Geschäft nämlich absterben. Es geht
also nicht um irgendwelche karitativen Akte, sondern um die Urbarmachung eines
neuen Bodens. Urbarmachung für die eine Welt. Es geht nicht darum, die
Technisierung zurückzudrängen, wie manche Neidgeplagte es gerne darstellen
möchten, sondern es geht darum, die Technik allen zur Verfügung zu stellen, die
sie wollen. Es geht darum, auch das Ganze des Möglichen zu nutzen.
Genauso kann auch die Medizin auf Dauer nur
erfolgreich sein, wenn sie das Ganze mit einbezieht und die Menschen in ihrer
psychischen und sozialen Verflochtenheit sieht. Moderne Formen der
Psycho-Therapie haben inzwischen längst unmittelbar von den technisch
unentwickelten „Medizinmann-Kulturen“ gelernt, etwa in Afrika – während sich
die Medizin, fixiert nur auf die Bekämpfung der Symptome, nur um die Rezepturen
der Medizinmänner interessiert hat, nicht für ihre Arbeitsweise [vgl. de
Rosny]. Ein Ergebnis dieser neueren Entdeckungen ist das Familienstellen [B.
Hellinger]. Es zeigt die Verflochtenheit, also den tatsächlichen Einfluss der
Ahnen und anderer sozialer Strukturen auf das Individuum.
Der Schlüssel zur neuen Welt ist das Ganze. Immer wenn
das außer acht gelassen wird, wenn auf die alten partikularistischen Methoden
vertraut wird, wird es Schwierigkeiten geben, die mit diesen Methoden eben
nicht mehr in den Griff zu kriegen sein werden, wie etwa im Fall des
Terrorismus. Was hilft die modernste Militärtechnik gegen ein internationales
Netz von Menschen, die entschlossen sind? Sie sind nicht mehr ein lokal
begrenzter Krankheitsherd, sie sind wie Metastasen. Was für eine Art von
Bestrahlung oder Chemotherapie soll gegen sie helfen?
Es geht daher um Einsicht in den Gesamtzustand. Und
diese Einsicht muss auf allen Ebenen der Gesellschaft stattfinden. Die
Religionen sollten die Vorreiter auf diesem Gebiet sein und daher aufhören, ihr
separates Süppchen zu kochen. Dieses Bewusstsein muss sich verbreiten. Auf
diesem Wege – und nur auf diesem Wege – wird die Botschaft auch die Taliban und
ähnliche Gruppen erreichen. Sonst werden die Krebszellen wachsen und sich
weiter ausbreiten. Es ist nicht eine Frage der Moral, sondern eine Frage des
Überlebens. Ein kollektives Umdenken muss einsetzen. Natürlich auch in der
Religion – den Islam eingeschlossen.
Wir natürlich müssen bei uns anfangen: Wir müssen
unseren Empfangsapparat auf den Empfang des Ganzen einstellen.
Es wird dann natürlich ganz konkrete Veränderungen
brauchen, auch in der Religion. Sie muss den Ballast der Geschichte abwerfen
und neu anfangen mit dem Geist des Einen. Die Lehren werden sich deutlich
erkennbar verändern, damit das Ganze klar erkennbar wird und auch die Riten
werden sich sehr verändern, damit dieser Geist wieder wirklich spürbar wird. In
jeder Zeit ist dieser Prozess vollzogen worden, in unserer Zeit ist er noch
nicht vollzogen worden, es gibt erst Ansätze dazu. Eine gewisse Bereitschaft zu
einer Analyse der Situation. Und eine gewisse, wenn auch noch so geringe Bereitschaft
zum Experiment. Die Glut ist noch nicht ausgelöscht. Gleichzeitig aber ist die
Paranoia stark, die Angst, sich etwas zu vergeben – wo es doch in Wirklichkeit
alles zu gewinnen gibt.
Wir brauchen die eigene Tradition nicht vergessen,
wenn wir die anderen Traditionen anerkennen – und mit „anerkennen“ meine ich
nicht die mehr als zaghaften Zugeständnisse des zweiten Vatikanums, das sich ja
damit begnügte zu meinen, dass andere doch auch gewisse Wahrheiten gefunden
hätten, wenn auch nicht die Wahrheit, denn dazu müssten diese Anderen
schließlich doch erst zum Christentum bekehrt werden. Was für ein paranoischer
Hochmut da noch drin steckt! Was für eine Unbewusstheit. Es wird Zeit für einen
Quantensprung. Wenn das Christentum oder die katholische Kirche ihn nicht
vollziehen kann, wird es untergehen, wenn es ihn aber vollziehen kann, dann
kann ihn der Islam auch vollziehen. Und dann ziehen alle am gleichen Strang.
Sie werden dann gemeinsam mit anderen Einrichtungen
darauf achten, dass die Unzufriedenheit und die Unruhe nirgends über ein
gewisses Maß ansteigt, denn ihre Beobachter werden rechtzeitig melden, was
getan werden kann, um den an einem bestimmten Ort herrschenden Schmerz zu
lindern.
Eine massive Entwicklungspolitik wird so einsetzen.
Und es wird eine ganzheitliche Entwicklungspolitik sein, auch in den
industrialisierten Ländern. Auch die Menschen hier bei uns müssen ja einen
Entwicklungsschritt vollziehen, besonders persönlich. Sie müssen lernen,
Konflikte durch Kommunikation zu lösen und zu verstehen. Sie müssen lernen,
ihre eigenen Bedürfnisse zu äußern und die von anderen geäußerten Bedürfnisse
zu respektieren. Das ist der Weg, wie er sich im alltäglich-persönlichen
Bereich darstellt. Es ist einfach der Weg der Wahrheit.
Die alten biblischen Geschichten reichen dafür nicht
mehr. Sie sind für die meisten Menschen in solche historischen Fernen gerückt,
dass sie nicht mehr unmittelbar verstanden werden. Es braucht daher neue
Geschichten. Und es gibt sie. Sie könnten gesammelt werden. Das wäre eine Aufgabe
für eine neue Offenbarungsforschung, die sich nicht mehr mit der Bibel begnügt,
sondern die davon ausgeht, dass die Offenbarung nie aufgehört hat, dass sie
gegenwärtig ist, das sie aber entdeckt werden muss. Dazu braucht es aber ein
demütiges sich Beugen vor der Wahrheit. Und dazu wieder braucht es den Willen
dazu. Der Widerstand gegen die Wahrheit muss aufhören. Die Angst muss dem
Vertrauen weichen. War das nicht der alte „Glaube“? – Und was ist im Vergleich
dazu ein heutiges „Glaubensbekenntnis“? Aber die Einsicht ist eine Gnade. Wir
können sie nicht erzwingen. Sie wird vom Ganzen verliehen. Doch zu unserem
Glück drängt sie uns das Ganze geradezu auf. Es braucht daher nur eine gewisse
Bereitschaft, sich darauf einzulassen. Die können wir uns wenigstens wünschen,
das Ganze bitten, uns für es zu öffnen. Dann erleben wir unsere Kapitulation.
Und in ihr die Heilung.
So
entsteht auch eine völlig neue Art religiöser Missionierung:
Die
neue Art der Missionierung wird eine Missionierung zur Bewusstheit sein, nicht
zur Aufgabe der eigenen Traditionen, sondern zum Überdenken dieser Traditionen
mithilfe dessen, was eine eine Welt heute möglich macht.
Es
wird eine echte Begegnung sein im gegenseitigen Respekt, nicht in der
Auffassung, man habe es mit primitiven Untermenschen zu tun.
Dass
heute Medizinmänner aus aller Welt bei uns Seminare abhalten, zeigt, dass die
Stammeskulturen einen großen Schatz an Weisheit bergen oder geborgen haben. Und
diesen Schatz bieten sie uns an. Und ihr Einfluss auf unsere Kultur nimmt zu.
Zurecht. Denn dieser Schatz ist allzu lange mit Füßen getreten worden. Dieser
Einfluss darf auch den bei uns traditionellen Religionen nicht vorenthalten
werden. Alles gehört zusammen. Nur das Ganze liefert ein korrektes Bild.
Konkret
bedeutet das, dass sich die traditionelle Religion mit der Arbeit der
Medizinmänner auseinandersetzen muss, insbesondere dort, wo die Medizinmänner
eine Wirkung erreichen, die die traditionellen Riten nicht mehr erreichen.
Man
muss sich doch fragen, warum das so ist, denn irgendwo haben die traditionellen
Religionen offensichtlich den Pfad der Wahrheit verlassen, sonst wären ihre
Riten immer noch wirksam. Auf diese Weise wird man feststellen, wo man selbst
einen Aberglauben entwickelt hatte und wo man daher selbst dem Bild des
primitiven Untermenschen glich, das man den anderen andichtete.
Von
da an wird die Missionierung nur noch ein Dienst sein. Die Bilder der eigenen
Religion aber werden weiter fruchtbare Bilder sein, die sich jetzt aber einfach
mit den anderen Bildern gleichberechtigt mischen werden, die an einem
bestimmten Ort traditionell üblich sind. Eine Erweiterung der Bewusstheit wird
einsetzen auf beiden Seiten. Die Kommunikation wird für beide eine Bereicherung
sein. Es wäre schon sehr dumm, diese Kommunikation einseitig zu blockieren,
etwa durch Dogmen oder Alleinseligmachungsanspüche, während doch gleichzeitig
nicht mehr zu leugnen ist, dass die traditionellen Riten bei uns wegen ihrer
weitgehenden Unwirksamkeit unglaubwürdig geworden sind. Zu sagen, „wir haben einen
Weg“ ist etwas anderes als zu sagen, „wir haben den einzigen Weg.“ Das kann nur
eine Lüge sein.
Ich persönlich habe
in meinem Leben Repräsentanten verschiedener Religionen und auch von
Stammeskulturen getroffen, die mir gezeigt haben, dass sie einen echten Weg
haben und dass dieser Weg ebenbürtig ist etwa dem christlichen Weg. Die
Wahrheit ist weiter verbreitet, als man angenommen hat.
Diese Wahrheit sollte
zur Kenntnis genommen werden, denn die Folgen einer weiteren Leugnung werden
nicht angenehm sein, besonders für das Christentum, nämlich wachsendes
Desinteresse und schwindende materielle Ressourcen. Es kann natürlich sein,
dass die Wahrheit erst dann zur Kenntnis genommen wird, wenn diese Folgen
wirklich spürbar eingetreten sind. Um den Prozess etwas zu beschleunigen,
appelliere ich an die einzige gemeinsame Instanz, die Vernunft.
Es ist klar, dass
Menschen, die glauben, allein sie hätten die Wahrheit keine sehr
wahrheitsliebenden Menschen sein können. Überheblichkeit ist der Grund für ihre
Ignoranz. Es gibt nur einen Ausweg daraus, erkennen, dass auch auf anderen
Wegen die Wahrheit gefunden werden kann und unterscheiden lernen, wo die
Wahrheit ist und wo noch welche Arten von Aberglauben herrschen.
In dieser
Unterscheidung liegt der heutige mögliche Exorzismus – eben in der
Unterscheidung der Geister, indem die Dinge so genannt werden, wie sie sind.
Nichts anderes hatte Jesus im Sinn mit seinen Exorzismen - und Paulus mit
seinen. Immerhin hat Paulus ja die Apostel erfolgreich exorziert und ihnen
gezeigt, dass sie sich öffnen müssen für die Welt als Ganzes. Dass sie also
ihren völkischen Partikularismus aufgeben müssen, dass dieser Partikularismus
ein übler Geist ist, nämlich genau der Dämon, den Jesus bekämpft hat und der
ihn umgebracht hat.
Nun ist dieser Dämon
wiedergekehrt in Form der legalistischen Auslegung der Bibel und der Dogmen.
Das ist zwar in allen großen Religionen der Fall, vielleicht aber besonders
stark in der katholischen Kirche. Anstatt des Fühlens herrscht wieder das Gesetz.
Es ist das alte Problem. Das ist der Name des Dämons. Das Gesetz – und (und das
ist die Lüge) die gleichzeitige Behauptung, „die Wahrheit“ zu haben, die aber
eben verlorengegangen ist mit dem Verlust des Fühlens. Die religiösen
Funktionäre wählten die Sicherheit des Gesetzes, weil sie sich der Unsicherheit
der göttlichen Führung nicht anvertrauen wollten. Diese Linie bestimmt den
Mainstream aller großen Religionen. Sie bestimmte die Religion der Juden zur
Zeit Jesu. Er als Mann des Fühlens konnte von den Gesetzesgläubigen nicht
geduldet werden. Er musste beseitigt werden, denn er zeigte ihnen ihre
Paranoia. Eine Schwäche aber konnten sie nicht eingestehen. Sie hatten doch die
Wahrheit. Also musste der weg, der das in Frage stellte. Ich stelle es heute wieder
in Frage.
Die Wahrheit ist
heute, wie von Jesus vorhergesagt, nicht mehr „hier oder dort“, sondern in ganz
anderen soziologischen Formationen bewusst. Überall gibt es sie, die zu ihr
gelangt sind. Sie sind heute unabhängig von irgendwelchen religiösen
Institutionen. Bewusstheit ist an keine Kultur gebunden. Sie entspringt
meistens dem Leiden. Und da Menschen immer und überall leiden, gibt es immer
und überall die, die sie gefunden haben. Früher mussten sie sich in den
religiösen Mainstream einfügen, heute aber gibt es alles überall und daher
können sie es sich erlauben, einfach sie selbst zu sein, ohne sich in eine
bestimmte geistige Richtung einordnen zu lassen – aber auch sicher ohne
Verleugnung ihrer Herkunft, sondern natürlich eher mit einem Schwerpunkt
darauf, so wie beispielsweise für mich meine christliche Herkunft äußerst
wichtig ist. Von da beziehe ich ja einen unendlich reichen Schatz an Bildern,
die Menschen etwas sagen. Und was ich von den anderen Religionen weiß, füge ich
natürlich diesem Schatz hinzu. Und daraus ergibt sich – über die sonstige
Bereicherung hinaus – ein gegenseitiges Verstehen dieser Traditionen.
Dieses Verbindende
muss ausgesprochen werden. In ihm ist das gemeinsam Menschliche. Das Trennende
ist Lokalkolorit. Es muss erkannt werden, dass dieser Bereich aus diesem Grund
nicht zum Bereich wesentlicher Lehraussagen gehören kann. Beispielsweise wird
die Bedeutung der Lehre, dass Jesus Gottes Sohn war, überdacht werden müssen
und damit zusammenhängend auch die Lehre von der Trinität. Es wird Zeit für ein
erweitertes Verständnis, also ein Verständnis, dem alle Menschen, egal welcher
Religion, zustimmen können. Das ist das Wesentliche, das Übrige ist
Lokalkolorit, eine Art geistiger „Tracht“. Die Bräuche dürfen natürlich so
bleiben, wie sie sind. Es muss niemand „umerzogen“ werden. Sondern überall muss
einfach etwas mehr Bewusstheit entstehen. Alles andere ergibt sich von dort
aus. Und vielleicht gibt es gar nichts anderes. Warum auch? Nur darum geht es
doch, die Kleidung spielt nicht so viel Rolle. Und doch, warum sollte man sich
nicht genau so kleiden, wie man will, so dass man sich eben wohl fühlt, so wohl
wie nur möglich. Und das betrifft auch die geistige Tracht. Durch die
Bewusstheit wird hier Toleranz vor den geistigen Trachten anderer Gegenden
entstehen. Und die Menschen werden mehr unterscheiden können zwischen dem
Wesentlichen und dem Unwesentlichen. Dadurch wächst das Fühlen und im Fühlen
zeigt sich der Geist, der im Gesetz eben verlorengegangen war. So finden wir
durch Bewusstheit zum Geist und ohne den Geist ist das Leben in Wirklichkeit
überhaupt nicht lebenswert. Kein Wunder also, dass wir so anfällig sind, im
Sinn von Krankheiten und Gebrechen. Es fehlt der Geist. Das Gesetz wird zu
einer Art Moloch. Es führt nicht zu dem, was es behauptet. Es führt nicht zum
Geist. Aber es führt zum Leiden.
Das Gesetz ist eine
Art Zwischenstufe zwischen wirklicher Religion und Geschäftswelt, eine Art
Handel, eine Art Versicherung, eine Art Jenseitsversicherung, Einzahlung in die
himmlische Bank durch Finanzierung der Priester. Das hat es seit je her überall
gegeben. Die Traditionalisten betreiben dieses Geschäft. So gerne sie ihn auch
hätten und so sehr sie sogar behaupten, ihn zu haben, fehlt ihnen doch der
Geist. Sie haben sich nur geistig hineingesteigert in eine Vorstellung vom
Geist und diese mit Werten befrachtet, damit sie zu einer Art Zugpferd für die
eigene Moral werden kann. Diese Vorgehensweise ist sicher kein Fehler, aber sie
führt leider nicht zur ganzen Wahrheit. Jenseits dieser Vorstellung gibt es
nämlich die Wirklichkeit und die stimmt mit der Vorstellung häufig nicht
überein, weil die Vorstellung ja immer hinter der Zeit herhinkt. Kaum hat sie
die letzte Krise verarbeitet, kommt schon ein neues Problem, in dem ihm seine
Erfahrungen vielleicht sogar im Weg stehen. Es braucht also eine andere Art der
Sensitivität als die des schwerfälligen Vorstellungsapparats, eine
Unmittelbarkeit, ein direktes Sensorium für das Richtige. Dieses Sensorium
„sechsten Sinn“ zu nennen, würde es schon wieder einschränken, denn es ist viel
mehr als das, es ist unmittelbare Wahrnehmung. Was da wahrgenommen wird, ist
eine Art von Anziehung oder Abstoßung. Der Anziehung gilt es zu folgen. Sie
läuft wie eine deutliche Spur vor uns her. Wir brauchen ihr nur zu folgen,
natürlich mit Aufmerksamkeit. Sonst werden wir die Spur nicht finden. Sobald
wir sie gefunden haben, folgen wir unserer Natur, unserer Seele, wir folgen
Gott, der uns so haben wollte, wie wir sind. Von da an kann es nur besser
werden. Denn wir werden natürlich das meiden, was uns abstößt, denn da zieht
uns wirklich nichts hin – es sei denn, wir würden gezogen von unserem „Auftrag“
vom Weltgeist. Dann ist das eben die Spur, der wir folgen müssen, wenn wir in
der Wahrheit bleiben wollen. Es könnte auch uns treffen, wie es Jesus getroffen
hat, dass wir nämlich auf diesem Weg unser Leben sehr früh verlieren, aber das
ist rein statistisch sehr unwahrscheinlich, falls es uns jedoch tatsächlich
treffen sollte, werden wir auch da wissen, dass wir uns auf dem Pfad der
Wahrheit befinden. Ein Schritt zur Bewusstheitserweiterung für viele. Und daher
werden wir uns auch auf diesem Weg geborgen wissen.
„Herr, du bist mein
Hirte, ich fürchte kein Unheil, denn du bist bei mir. Du weidest mich auf
grüner Au. Und müsst ich selbst wandeln im Tal der Todesschatten, ich fürchte
kein Unheil, denn du bist bei mir.“ Was gibt es Schöneres, als das sagen zu
können? Selbst in der Hölle den Himmel zu sehen, denn der Himmel besteht ja in
der vollkommenen Übereinstimmung, in dem vollkommenen Einklang mit den Gezeiten
des Universums. Das kann natürlich physisch sehr schmerzhaft sein. Aber das
Wissen wird Heilung bringen. Und in diesem Wissen zu sterben bedeutet „ewig
leben“. Dieser Beitrag zur Bewusstheit hat einen bleibenden Eindruck
hinterlassen und er wird gegenwärtig bleiben durch seinen Effekt. Kein Wunder,
dass Menschen, die einen derartigen Eindruck hinterlassen haben, „Heilige“
genannt worden sind. Es kann unser Bewusstheit daher nur fördern, wenn wir uns
mit ihren Lebensentscheidungen auseinander setzen. Aber natürlich auch mit den
Lebensentscheidungen anderer. Es geht ja darum, dass wir uns von jeder
Ideologie befreien und hinter die Dinge schauen. Und das können wir nur, wenn
wir vergleichen, wenn wir uns anderen Erfahrungen aussetzen. Selbst prüfen,
anstatt Urteile zu übernehmen etc..
Bewusstheit ist
angesagt. Bewusstheit bringt Heilung.
Es geht also nicht um
die Verwirklichung eines Ideals. Denn jedes Ideal ist ein vorgeprägtes Bild. Es
geht um ein Leben jenseits dieser Art Bilder. Ein Leben jenseits der Idole. Ein
Leben jenseits der fremden Götter. Die Heilung liegt jenseits von allem
Bekannten. Sie ist eine Überraschung, denn sonst hätten wir sie ja längst
selbst gefunden mit all unseren Vorstellungen darüber, was es sein könnte. Wir
müssen uns bereit machen für eine Überraschung. Darum geht es, nicht um ein
Idol, das wir schon kennen. Das bedeutet die Lehre von dem einen Gott. Es gibt
nur eine Wahrheit, nämlich die persönliche. Deshalb ist Gott ein persönlicher.
Es ist ein Gott der persönlichen Überraschungen, ein Gott der persönlichen
Wunder. Daneben gibt es aber natürlich auch den anderen Aspekt, den Aspekt der
allgegenwärtigen Kraft. Sie repräsentiert das Andere, das aber auch unsere
eigene innerste Natur ist. Beide Aspekte zu sehen, das Ich und die Welt und in
beidem etwas Göttliches erkennen, etwas Wunderbares, etwas Geliebtes,
ausgestattet mit dem o.k.-Siegel des höchsten Prüfstands. Wenn wir das sehen,
können wir auch schon ehrlich sein und sagen, was wir möchten. Unser Wunsch ist
schließlich der Wunsch des Allerhöchsten – Ehrlichkeit vorausgesetzt. Durch die
Ehrlichkeit finden wir nämlich unseren Weg. Ehrlichkeit bezieht sich auf das,
was wir wünschen. Wenn wir hier mit Tabus belegt sind, haben wir Schwächungen
einprogrammiert, die wir besser los werden sollten, sofern sie unserem
ehrlichen Wünschen entgegenstehen.
Daher geht der Weg in
jedem Fall über die Kommunikation der Wünsche. Sie ist die Basis der
Bewusstheit. Die Wünsche an den lieben Gott, sind natürlich an ihn zu
übermitteln. Wie? Durch ein Eintauchen in die Kraft, die uns und die Welt
gleichermaßen belebt. Sie wird uns antworten „von außen“, d.h. durch
Begegnungen, die zur rechten Zeit zustande kommen auf unerklärlich Weise,
„zufällig“ und doch gar nicht zufällig. Wenn die Zeit reif ist, gibt es Früchte
zu ernten. Das sind die Geschenke des Ganzen an uns. Wir müssen natürlich
schauen, was gerade wo reift. Dieses Schauen ist der Hauptbestandteil der
Bewusstheit.
Bewusstheit ist ein
Bereich, der sich dem Denken nicht entzieht, der aber durch das Denken nicht
voll erkannt werden kann. Dieser Bereich kann nur erfühlt werden. Und
erstaunlicherweise zeigt sich, dass das Fühlen unendlich feiner und schärfer
als das Denken begreift. Eine deutliche Einladung, im Zweifelsfall dem Fühlen
zu folgen und damit die Bewusstheit zu erweitern. Und so immer mehr dem Fühlen
zu folgen, das einen wunderbaren Bereich der Wirklichkeit eröffnet. Wirkliche
Wunder werden möglich auf diesem Weg. Der Glaube versetzt tatsächlich Berge,
aber es ist klar, dass das nicht der Glaube derer ist, die sonntäglich das
Glaubenbekenntnis sprechen. Sie versetzen nämlich keine Berge. Aber es gibt
Leute, die Berge versetzt haben durch ihren Glauben an ihre innere Führung.
War Hitler einer von
ihnen, werden Sie jetzt vielleicht fragen? In dem Sinn, dass er einen Glauben
hatte, auf jeden Fall, nur fehlte ihm die Gabe der Unterscheidung der Geister,
denn der Geist, den er aufgeschnappt hatte, diese maßlose Überheblichkeit, war
letzten Endes nicht gerade vorteilhaft. Er ist seinem Dämon in die Falle
gegangen und Millionen mit ihm. Das Ganze produzierte aber, wie immer in so
einem Fall, von selbst die andere Seite, nämlich die Reaktion auf diese
Überheblichkeit. Sie erschien zunächst als Vision von einer humaneren Welt, und
in Form von Menschen, die bereit waren, dafür auch ihr Leben einzusetzen,
wodurch die Monstrosität der Nazis beendet wurde. Anschließend konnte diese
Vision dann auch in anderen Gegenden der Welt [wenigstens ein Stück weiter] tatsächlich verwirklicht werden – wenn wir
nur an die Aufhebung der Kolonialherrschaften denken, die durch den Abscheu vor
den Nazis sicher enorm beschleunigt wurde. Der Kurs, der von da her gelegt ist,
weist weiterhin in Richtung humanerer Welt, in der Eigenheiten toleriert
werden, solange sie nicht in die Rechte dritter eingreifen.
Was noch nicht
ausreichend entwickelt ist, ist die Entwicklungshilfe. Es braucht hier jede Art
von Hilfe – auch bei uns, wie schon gesagt.
Ähnliches gilt
natürlich entsprechend auch für unsere gegenwärtige Terrorwelle.
Der Geist, dem es
heute zu folgen gilt ist der Geist des Ganzen. Es ist der Geist des Fühlens.
Darin liegt die Erlösung auch vom Terror. Wir sind eine Welt. Wenn wir fühlen,
werden wir sie teilen und gut verwalten, damit sich alle entwickeln können.
Jeder Fühlende wird sich dafür einsetzen in seinem Bereich. Wir wollen unsere
Fähigkeiten ja weitergeben. Aufmerksam machen, einfühlsam machen. Von da
breitet sich eine neue Form von Zufriedenheit aus, eine heilende Zufriedenheit
aus dem Bewusstsein der Einheit, des Einklangs von innen und außen. Das wird
nur möglich durch das Fühlen. Deshalb ist das Fühlen die Religion der Zukunft,
die Religion der einen Welt. Erst im Fühlen wird ein Mensch wahrhaft
„kat-holisch“. Wirklich universell. Und das ist dann gleichzeitig wirklicher
Islam. Und das ist dann ebenso wirklicher Hinduismus und wirklicher Buddhismus.
Und nichts anderes. Ein fühlender Mensch ist mit dem Einen verbunden. Und er
tut nicht mehr seinen Willen, sondern den Willen des Vaters. Er empfängt seine
Inspiration aus dem Nichts, aus der Leere der Buddhisten. Aber er weiß: Sie ist
verbindlich. Seltsamerweise besteht die menschliche Freiheit darin, diese
Verbindlichkeit wahrzunehmen und anzunehmen. Sie ist nicht kodifiziert und auch
nicht kodifizierbar, aber sie ist unmittelbar wahrnehmbar. Und gleichzeitig
widerspricht sie den Kodizes nicht – es betrachtet sie aber nur als Wegweiser,
als Denk-Mal, und nicht als einen Zwang. Der oberste Wegweiser ist das Fühlen.
Damit wir fühlen können, dürfen wir unsere Wahrnehmungsfähigkeit durch nichts
einschränken lassen. Wir müssen alles für möglich halten. Unser Urteilsvermögen
darf nicht getrübt oder gefärbt sein oder sonst wie präjudiziert. Nur so können
wir herausfinden, was uns wirklich gut tut. Wir können das ja nirgends
nachlesen, wir können es nur erfühlen.
In diesem Fühlen hat
sogar die Moral Platz, als eines der Fakten des Lebens, und zwar in der ihr
zukommenden Position als einer der Lehrer des Fühlens, keinesfalls aber als
Behinderer. Leider wird Moral aber oft zur Behinderung eingesetzt – aus Angst,
weil der behauptete Glaube eben in Wirklichkeit fehlt und daher nur ein
Aberglaube ist. Deshalb haben die Sektenmenschen immer etwas Steifes. Es wird
Zeit, das zu bedenken. Vielleicht wäre es möglich, sie aufzulockern, damit sie
wieder durchatmen können. Dann kommen sie auf den Weg des Fühlens, denn sie
fühlen, wie gut das tut. Und das ist der Anfang eines neuen Lebens.