Das islamische Kommunikationssystem
24. 6. 2002
Das islamische
Kommunikationssystem unterscheidet sich von den Kommunikationssystemen im Rest
der Welt grundlegend: Es ist ausschließlich auf persönlichem Vertrauen
aufgebaut.
Wenn dieses persönliche
Vertrauen besteht, funktioniert die Kommunikation, wenn es nicht besteht,
funktioniert sie nicht.
Alle Frustrationen westlich
kultivierter Menschen in islamischen Ländern beruhen darauf. Das wird aber oft
nicht erkannt. Man spricht dann davon, dass man in diesen Ländern eben „Zeit“
brauche oder ähnliches. Es hat mit Zeit aber nur so viel zu tun, als es eben
Zeit braucht, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Westlich kultivierte
Menschen können nämlich auch später die Erfahrung machen, dass plötzlich eben
nichts mehr geht, wenn etwa durch irgendeine Äußerung oder Handlung von ihnen
das Vertrauensverhältnis in irgendeiner Weise gestört wurde.
Aufgrund dieses Systems sind
etwa Terrornetze etc. samt dem nötigen Geldtransfer kein Problem, denn das
System ist von außen nicht einsehbar und auch keines seiner Teilsysteme. Das
ist die Stärke dieses Systems.
Das Problem dieses Systems
ist seine ungeheure Schwerfälligkeit im Großen. Das ist der Hauptgrund für die
kolossale wirtschaftliche Rückständigkeit der ganzen islamischen Welt [etwa im
Gegensatz zu hinduistischen und buddhistischen Einflussbereichen]. Während in
der westlichen Kultur sachliche Vereinbarungen geschlossen werden, die mit den
involvierten Personen nichts zu tun haben, geht es in der islamischen Welt nur
um die Belange der involvierten Personen und alle Vereinbarungen bleiben stets
von diesen abhängig. Und diese Personen wiederum stehen in einem hierarchischen
sozialen Gefüge [genau gesagt: eines Feudalsystems], das auf persönlichen
Loyalitäten beruht [bei uns in der Nibelungensage archetypisch erzählt], in dem
es als normal gilt, dass ein Fremder abgeblockt und auch abgezockt wird. Nach
außen bestehen also so etwas wie Zensur- und Zollschranken. Der Zoll [als
vertrauensbildende Maßnahme oft im Vorhinein gegeben in Form von
Bestechungsgeldern] begründet dann wieder das Vertrauen, und manchmal ersetzt
dieser Zoll das Vertrauen. Von diesen Zöllen muss natürlich etwas an die
nächste Instanz abgegeben werden, die von dem Fremden durchlaufen werden
möchte. Dort wird der Fremde dann wieder abgezockt oder abgeblockt. Das geht so
lange, bis der Fremde irgendwann kein Fremder mehr ist, sondern ein Teil des
Systems. Es beginnt aber augenblicklich wieder, sobald er sich in irgendeiner
Weise nicht systemkonform verhält.
Das System ist hermetisch
abgeschlossen. Ein Eindringen ist, wie die westlichen Geheimdienste sehen, kaum
möglich.
Frank Herbert hat das System
fantastisch beschrieben in seinem Roman „The Santaroga
Barrier“.
Es ist ein rigoroses System
von Belohnung und Bestrafung mit der selbstverständlichen Todesstrafe auf alle
Angriffe gegen das System selbst. Grundlage des Systems der islamischen Welt
ist eben der „Islam“. Es wäre allerdings ein Missverständnis, zu glauben, es
ginge dabei um eine Religion. Es geht nämlich keineswegs um Hingabe an Gott,
sondern ausschließlich um die Hingabe an das System, an die äußerlichen Regeln
des Systems, um den Brauch, wie der vollkommen unkoranische
Terror gegen Frauen deutlich zeigt, der in weiten Gebieten als
selbstverständlich und als unverzichtbar islamisch gilt. In der Vergangenheit
sind islamische Heilige sogar hingerichtet worden, weil sie die Wahrheit mehr
achteten als das System.
In dem System geht es auch
nicht um soziale Gerechtigkeit. Dass in dem System möglicherweise Millionen
verhungern, macht nichts aus. Das sind eben die, die es nicht schaffen, bei den
Führern des Systems Vertrauen zu gewinnen. Sie werden [aus der Sicht des
Systems ganz natürlich] ausgeschieden – was die vom Ausscheiden Bedrohten
natürlich umso loyaler macht. Aus ihnen rekrutieren sich heute die
Selbstmordattentäter.
Es handelt sich um eine
instinktiv geregelte menschliche Gesellschaftsordnung, die der Hackordnung bei
den Hühnern ähnelt, aber eben menschlich ist. Deshalb gibt es auch in den
westlich kultivierten Gesellschaften immer wieder das, was hier als „Abstürze“
in „Niederungen“ betrachtet wird: Bestechungen, Vetternwirtschaft etc.. Diese Phänomene werden bei uns als etwas Unkultiviertes
gesehen, während sie im islamischen Bereich ganz wesentlich zur
Kommunikationsstruktur der Kultur gehören.
Gleichzeitig erweckt dieses
System bei uns aber auch Sympathie, weil es etwas sehr Natürliches hat, weil es
eben tatsächlich auf persönlichem Vertrauen beruht.
In der westlichen Kultur
nimmt den Platz des persönlichen Vertrauens ein anderes System ein, das auch
ausdrücklich auf Vertrauen beruht und nach diesem sogar benannt ist, nämlich
das Kredit-System. Demjenigen wird Geld gegeben, der kreditwürdig ist, dem man
also glaubt, dass er es zurückzahlen kann. Es geht da aber nicht um
persönliches Vertrauen, sondern um ein Vertrauen in die Sache – was unserer
Kultur diese eigenartige Kühle gibt [mit oft entfremdender Wirkung], in der
sich viele verloren fühlen.
In der westlichen Kultur herrscht
eben durchgehend ein anonymes und doch individuell wirkendes Rechtssystem – im
Gegensatz zu dem sehr persönlichen aber nicht individuell wirkenden
Feudalsystem des Islam. Auch unsere Industriekultur ist aus einem Feudalsystem
hervorgegangen. Das Persönliche ließ sich aber durch die immer größere
Notwendigkeit von Abstraktion nicht länger halten, sein Netz von Kraftlinien
wurde ersetzt durch jenes neue Beziehungsgeflecht, das in den Gesetzeswerken
der Industriekultur zum Ausdruck kommt.
Das Feudalsystem mit seinen
Stammes- und Clanorganisationen ist den wirtschaftlichen Gesetzen der heutigen
Welt nicht mehr angemessen. Heute geht es um andere Arten von Einheiten, um
viel schneller wechselnde Loyalitäten. Sie bestimmen unsere Kultur. Die
Feudalsysteme werden also umgewandelt werden und eine völlig neue Gesellschaft
wird entstehen.
Die Religion muss das
berücksichtigen. Die feudalen Kulturen stehen an der Schwelle zur Modernität.
Sie können den Strom der Zeit nicht aufhalten, das Feudale an ihnen wird auf
der Strecke bleiben. Sie können nur mitgehen oder stranden – dabei
möglicherweise allerdings denjenigen, die mitgehen, das Leben zur Hölle machen,
etwa durch Terror. Am Ende aber werden sie keine Wahl haben. Sie können die
Zeit nicht aufhalten.
Sie müssen aber nicht bis zum
Ende warten. Sie können schon vorher mitgehen, nämlich sofort und freiwillig.
Die Religion geht dabei nicht zugrunde, wie das Beispiel der christlichen
Religion zeigt, die diese Entwicklung bereits hinter sich hat.
In den modernen individuell-demokratischen
Gesellschaften ist bekanntlich ja auch für die Muslime Platz. Sie können ihre
Religion frei ausüben, solange sie niemand zu ungesetzlichen Taten verleiten.
Und die Muslime genießen diese Freiheit auch – und doch hat es bei vielen den
Anschein, als ob sie nur darauf warten, dass sich eine Chance bietet, diese
Freiheit für alle anderen aufzuheben und einen Gottesstaat auszurufen, in dem
Angehörige anderer Religionen dann ihre Religion nicht mehr so frei ausüben
dürfen, wie die Muslime jetzt, wo sie beispielsweise, wie das in Staaten mit
islamischen Recht der Fall ist, für ihre Religion nicht mehr werben dürfen oder
als Nicht-Muslime gar den Friedensgruß „Salamu Aleikum“ bei Todesstrafe nicht aussprechen dürfen (wie
kürzlich tatsächlich erfolgte Hinrichtungen in Pakistan zeigen). Ganz zu
schweigen von den grauenhaften mittelalterlichen Praktiken islamischer
Gerichtsbarkeit, wie Hand abhacken etc..
Der Brauch des Handabhackens
ist ein gutes Beispiel dafür, dass die feudalen Strukturen nicht mehr
funktionieren, etwa das Almosensystem [eine der „fünf Säulen des Islam“], sonst
würde Diebstahl nicht in so gravierendem Ausmaß zunehmen, dass man sich im
Sudan bereits Handabhackmaschinen anschaffen musste, um dem rapide steigenden
Bedarf gerecht zu werden. Der Fehler ist also bereits tief ins System
eingedrungen.
Statt den Fehler aber da zu
sehen, wo er ist, wird die Aufmerksamkeit auf einen äußeren Feind gelenkt, der
angeblich an allem schuld ist. Der Sündenbock gehört natürlich nicht zum
eigenen System. Am besten geeignet für diese Rolle ist daher die vorderste
Front des nichtfeudalen Gegensystems, die USA [die ja schon durch ihre
Entstehungsgeschichte antifeudal sind].
In den USA gibt es außerdem
alles, was diejenigen, die die USA als Feind sehen, auch gerne hätten, aber
nicht haben. Daher sind die Amerikaner schuld daran, dass sie es nicht haben.
Auch afrikanische Medizinmänner kennen als Erklärungsmuster für das Unglück des
Einen, den erstaunlichen Reichtumszuwachs eines Anderen. Und in geschlossenen
[natürlicherweise feudalen] Stammesgesellschaften das trifft auch zu, aber
nicht mehr in unserer Zeit, auch nicht in den islamischen Gesellschaften. Alles
ist viel zu komplex geworden, als dass es ein Feudalsystem noch steuern könnte.
Das Feudalsystem funktioniert nicht mehr. Aber anstatt das zu sehen, bekämpft
man einen Außenfeind mit Terror. Tatsächlich aber hat in unserer Welt der
Reichtum des Einen mit der Armut des Anderen nichts zu tun, denn beide leben in
völlig unterschiedlichen Regelkreisen, die sich gegenseitig gar nicht wirklich
beeinflussen. Der wirtschaftliche Einfluss der USA ist nicht die Ursache der
Armut so vieler Araber. Die Armut so vieler Muslime ist bedingt durch die
ungeheure Vermehrung der Ärmsten, die vom System nicht mehr verkraftet wird und
gleichzeitig noch dadurch, dass sich einige wenige Fürsten und ihre Familien
persönlich bereichern, auch heute noch Tausendundeine Nacht Märchenwelten für
sich verwirklichen, während die zunehmenden Massen hungern und ausgeschlossen
sind von allen Bildungsmöglichkeiten etc., eben weil die Reichen zu wenig Lust
haben, ihre Einkünfte aus den Bodenschätzen des Landes mit ihren Landsleuten zu
teilen.
Wenn die Aufmerksamkeit der
Muslime auf diese realen Zusammenhänge gerichtet würde, könnte eine Veränderung
zum Positiven erreicht werden, durch den Neid aber und die von ihm verursachte
Projektion der „Schuld“ auf die reicheren Nationen kann höchstens einiges von
dem zerstört werden, was diese Anderen haben, ohne sich selbst zu nützen.
Das zu erkennen ist aber nur
möglich für Menschen, die die Perspektive des Systems verlassen können, um ihre
Situation von einer höheren Perspektive aus zu betrachten.
Das bedeutet aber, in eine
größere Ganzheit einzutreten, deren Gesetze nun nicht mehr die alten, feudalen
Stammesgesetze sind, sondern zunächst die in unserer Zeit üblichen sachlich
rechtlichen Individual- und Korporationsgesetze, also das, was in der ersten
Welt bereits seit sehr langer Zeit vorhanden ist – und dort auch sehr blutig
erkämpft werden musste: Die freiheitliche Gesellschaftsordnung mit seiner
Rechtstaatlichkeit, jenseits des Feudalsystems, die ihrerseits aber selbst
gerade mitten im Umbruch ist, weil die internationalen Korporationen ja längst
mit den Staaten in Konkurrenz getreten sind und die staatliche
Organisationsform selbst in Frage stellen – auch da braucht es eben die
Perspektive der größeren Ganzheit.
Das feudale islamische
Kommunikationssystem wird daher nach und nach abgelöst werden durch das
staatlich-individuell organisierte Kommunikationssystem der ersten Welt und
dieses Kommunikationssystem wird abgelöst werden von den heutigen
Notwendigkeiten der grenzenlosen Kommunikation. Dieser Prozess ist
unaufhaltsam. Er ist bedingt durch die veränderten demografischen und
wirtschaftlichen Gegebenheiten, die sich mit denen der Zeit des Propheten
Mohammed nicht mehr vergleichen lassen.