Ein neues Paradigma der „Schuld“ und des Bösen
24. 7. 2002
Es ist nötig, die Relativität
zu sehen.
Es geht nicht um etwas
Absolutes [alles Absolute ist immer nur eine Fiktion, denn das Absolute ist
absolut undarstellbar], sondern darum, etwas zu erreichen, nämlich eine
Verbesserung. Um diese Verbesserung zu erreichen, müssen zunächst möglichst
viele irrationale [unbewusste] Schuldgefühle weg, weil sonst die nötige
Konzentration fehlt. Erst wenn ein Mensch frei ist, sich selbst zu sehen, kann
er effektiv handeln.
Ich sage nicht, dass der
einzelne Mensch, nachdem er entschuldigt worden ist, nicht bei sich doch so
etwas wie einen Eigenanteil an einem bestimmten Fehler entdecken kann, dann
aber nicht als eine "Schuld" in der Vergangenheit, sondern nur als
eine Schuld in der Gegenwart, nämlich einfach als eine Aufgabe, die er nun
wahrnehmen kann, ohne irgendwelche belastenden [und in der Vergangenheit
festhaltenden] Schuldgefühle. Statt eines negativen und daher auch behindernden
Antriebs (durch ein Schuldgefühl) kommt jetzt ein positiver Antrieb durch einen
Wunsch nach Verbesserung.
In der biblischen Geschichte
von Kain geht es genau um diesen Eigenanteil: Die Stimme war da, die Kain
gewarnt hat, also sein Sinnenapparat hat funktioniert, aber er konnte nicht auf
die Stimme hören, weil die Emotion [der Ärger] ihn bereits erfasst und
mitgerissen hatte. Das ist der klassische Fall.
Der einzige Ausweg besteht
darin, diese Stimme ernst zu nehmen, aus dem Fehler zu lernen und das bewusst
zu trainieren. Den Weg allerdings, den Kain gewählt hat, nämlich von
lebenslänglichen Schuldgefühlen, den hätte er vermeiden können - eben indem er
jetzt auf diese Stimme hört. Dann hat er seinen Eigenanteil geleistet. Und dann
ist die Schuld getilgt, egal wie hoch sie gewesen sein mag.
So muss „Schuld“ heute
gesehen werden.