III. Ich bin vollkommen in Deiner Hand
11. 3. 2002
In
der Kapitulation sage ich: Ich bin vollkommen in Deiner Hand. Und ich meine in
der Hand der großen Kraft, aus der alles hervorgegangen ist und die auch jetzt
den vollkommenen Überblick über die Lage hat. Und schon öffnet sich dieser
Überblick.
Aber
wie funktioniert das? Was geschieht, wenn ich das sage?
Ich
vertraue auf etwas, das in mir ist. Ich vertraue also darauf, dass dieses
Wissen auch irgendwo in mir selbst ist, dass in mir zumindest ein Organ ist, das Zugang hat zu diesem Wissen. Wenn ich danach forsche,
werde ich irgendwann herausfinden, wie dieses Organ zu gebrauchen ist. Indem
ich darauf vertraue, werde ich es sehr schnell erfahren. Ich habe es bereits erfahren.
Daher weiß ich, wovon ich rede.
Und
außerdem vertraue ich darauf, dass ich so gebaut bin, dass etwas in mir nach
Vollkommenheit strebt, mich in die Richtung [auf ein besseres Leben] zieht. Es
ist eine Art inneres Programm – genau das Programm, das schon die ganze
Evolution gesteuert hat. Es ist, logischerweise, auch in mir. Es äußert sich in
unserer Sehnsucht. Und die bringt auch die Energie mit, die notwendig ist zur
Realisierung der notwendigen Schritte. Diese Energie ist erfahrbar. Ich erfahre
sie. Daher weiß ich, dass sie da ist – und zwar nicht nur für mich.
Und
dann vertraue ich auch noch darauf, dass es etwas in mir gibt, das erkennen
kann, wie ich mich genau dem Ziel meiner Sehnsucht nähere [es ist so etwas wie
eine multiple-way-communication-Flugsteuerung
für meinen Flug durch die Realität] und was ich dafür als nächstes [an Aufgabe,
an Training, an Herausforderung] brauche und das auch imstande ist, die Weichen
dafür zu stellen, sodass es zu den notwendigen Begegnungen kommt. Es ist also eine
Art urteilender und fürsorgender Instanz – deren Urteile nichts zu tun haben
mit unseren täglichen Urteilen und Bewertungen, sondern die einfach feststellt,
was ist und was daher gebraucht wird. Und deren Einfluss weit über meine Person
hinausgeht, weil sie offenbar so etwas wie Rufe auszusenden imstande ist,
vielleicht vergleichbar mit den Rufen, die die Gralsritter hören konnten. In
Wirklichkeit können alle diese Rufe hören, und alle werden von solchen Rufen
auch gesteuert, wenn vielleicht auch nicht bewusst. Sogar die biblischen
Heuschrecken und die Frösche haben diese Rufe gehört, zumindest in der
Geschichte vom Auszug der Israeliten aus Ägypten.
Das
Vertrauen in diese Instanz zeigt mir die Situationen, die mir mein Schicksal
beschert, in einem ganz anderen Licht. Etwa eine Erkrankung ist dann nicht mehr
nur ein wohl oder übel zu erduldendes Schicksal, sondern sie wird zu einer
Herausforderung, zu einer Gelegenheit, etwas über mich und die Welt zu
erfahren. Und wenn ich die Herausforderung angenommen habe, wird die Krankheit
[irgendein Leiden] irgendwann nicht mehr nötig sein, weil ich sehe, woher sie
kommt, welche Kräfte sie hervorgebracht haben. Ich werde mich mit diesen
Kräften dann bewusst auseinandersetzen, nämlich da, wo sie mir in sichtbarer Gestalt
begegnen im realen Leben.
Und
so werde ich ein neues Leben zu leben beginnen, indem ich mich dieser Kraft
vollkommen anvertraue. Sie hat für alles gesorgt. Ich brauche nur noch auf sie
achten und ihren Hinweisen folgen.
Das
ist der Weg. Für mich. Und ich kann diesen Weg nur allen empfehlen. Es ist ein
Weg der optimalen Förderung der ganzen Existenz in jeder ihrer Dimensionen. Es
findet eine völlige Neugestaltung statt. Ein neues Leben. Das Leben überhaupt.
Eine Entfaltung, der kein Ende gesetzt sein wird. Auch nicht durch den Tod. Die
Bewusstheit bleibt erhalten, wo immer sie dann wirken mag. Dieses Leben hat
kein Ende. Es hat nur immer neue Phasen höherer Bewusstheit und tieferen
Verstehens. Wir sind jetzt da, wo wir sind, egal wo das sein mag. Von jedem
Punkt aus ist dieser neue Lebenskurs möglich. Es gibt keine Nachteile. Es ist
der Weg, der die Angst überwindet, der Weg, der das Göttliche in uns zum
Erscheinen bringen wird. Wer sollte sich darüber nicht freuen? So kommt der
Himmel auf die Erde! Für alle ist es möglich, jederzeit, egal von welchem Punkt
der Existenz aus. Warum länger in der Hölle bleiben? Es ist nicht nötig.
Und
keiner muss mehr Angst haben, dass er nicht sein dürfte. Alle Varianten dürfen
sein. Wir sind Menschen, bedürftige Wesen. Jedem, der ehrlich ist, ist das
klar. Wir müssen uns als das akzeptieren, was wir sind, egal was. Damit fängt
es an. Indem wir uns, als der Dreck, als der wir uns möglicherweise gerade
fühlen, dem Himmel zuwenden und unsere Lage aus den Augen Gottes betrachten.
Wenn wir genau schauen, werden wir sofort erkennen, dass wir gewissermaßen
Gottes anderes Ende sind – im Sinn der mythischen Uroboros-Schlange,
die sich selbst betrachtet wie ein Gegenüber, obwohl sie doch eine ist. Und so
werden wir sehen, dass in uns selbst diese göttliche Kraft gegenwärtig ist [das
war der ursprüngliche Sinn des Glaubens an „den Sohn Gottes“ bzw. an die
Gotteskindschaft], ja dass wir sie im eigentlichen Sinn des Wortes sogar sind.
Das
Problem begann, gemäß Bibel ja dadurch, dass die ersten Menschen ihr
traditionell und durch die zufällige persönliche Geschichte geformtes Urteil
dem Urteil der großen Kraft entgegensetzten – also indem sie eine
Froschperspektive entwickelten, und glaubten, die große Welt wäre tatsächlich
so, wie sie sie sich in ihrem beschränkten Sichtkreis vorstellten. Sie
entwickelten Kategorien und urteilten gemäß ihren Kategorien mehr als gemäß dem
Urteil des großen Geists. Dadurch entwickelten sich Widersprüche, weil der
große Geist ja weiterhin die Welt lenkte in seinem Sinn. Und diese Widersprüche
wurden als der Verlust des Paradieses erlebt.
Und
dann wurde dieses Problem auch noch weitergegeben, sodass wir alle es geerbt
haben.
Biologisch
betrachtet, ist es einfach die menschliche Entwicklung, die eben über die
Entwicklung des Begriffssystems geht mit all den Problemen, die daraus
entstehen. Es ist eine unvermeidbare Entwicklung. Aber damit ist die
Entwicklung ja nicht abgeschlossen. Nun folgt eine neue Phase. Ein Erinnern an
die Kraft. Und dann werden die beiden Systeme verbunden. Das System der
Begriffe mit dem mysteriösen System der Kraft. Das Ergebnis ist vor einigen
Jahrzehnten als der Traum von der „Selbstverwirklichung“ zumindest intendiert
gewesen, andere suchen es als Erleuchtung. Es ist das sich reale Erinnern an
die Kraft – natürlich dann auf sie achten – ohne unsere Begrifflichkeit zu
verlieren, und ohne uns deshalb für „schlecht“ oder „unwürdig“ zu halten, weil
wir bedürftige und in unserer Bedürftigkeit schwache Wesen sind, die oft genug
darin auch fallen. Das alles gehört dazu. Es ist kein Hindernis für die
Verbindung mit dem Geist.
Es
gibt nur ein Hindernis und das ist der Stolz. Wenn ich es besser weiß und dem
großen Geist nicht traue, muss ich natürlich weiterhin meinen eigenen Rezepten
folgen. Dann muss ich noch Geduld haben, bis die Folgen des darin liegenden
Widerspruchs sich materiell niederschlagen und mir Misserfolg bescheren. Es ist
unausweichlich. Wenn ich nicht mit dem großen Geist übereinstimme, erzeuge ich
einen Widerspruch. Er wird mich zu Fall und dadurch hoffentlich zum Nachdenken
bringen.
Mit
Übereinstimmung mit dem Geist meine ich natürlich nicht jene sektenhafte
Hallelujah-Übereinstimmung, bei der jedes Mitglied gewisse Bereiche von sich
verleugnen muss, sondern die Übereinstimmung mit dem großen Geist, die mir in
meiner individuellen Situation sehr individuelle Möglichkeiten der Entfaltung
zeigt – natürlich unter Einschluss aller Sinne und meines persönlichen
Urteilsvermögens, nicht einfach blind einer möglichen Illusion folgend. Bewusst
eben. [Dahin führt uns schon allein die Biologie.] Es ist eine neue Ebene der
Bewusstheit, die über Klugheit und Instinkt hinausführt.
Und
das sollte keine positiven Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die
Zufriedenheit dieses Menschen haben? Es ist klar, dass dieser Weg in jeder
Hinsicht fördert.
Dabei
müssen wir nur unserer Natur Raum geben. Uns respektieren in unserem ganzen
Sein. Dann stoßen wir von selbst auf den Geist als unserem Grund.
Alle
Weg führen da hin, sobald wir unseren Geist öffnen, sobald
wir anfangen, uns unserer selbst bewusst zu werden. Und wenn wir am Grund
unserer Existenz angekommen sind, folgt ganz von selbst unsere Kapitulation vor
der großen Kraft. Dann wissen wir: Wir sind vollkommen in ihren „Händen“. Und
wir brauchen keine Angst mehr haben, denn sie ist mit und in uns in jedem
Augenblick. Und ihre Intention wird durch uns real.