Zu 1Kor 15,28
22. 12. 2002
„Wann ihm das All aber unterworfen wurde, dann wird
der Sohn selbst sich dem unterwerfen, der ihm das All unterwirft, damit Gott
alles in Allem sei.“
Paulus
bringt einfach auf den Punkt, worum es geht.
Er
sagt, zuerst muss sich der Christus durchsetzen, dann wird der Christus sich
unterwerfen.
Das
bedeutet, zuerst muss unsere innere Natur siegen, dann können wir uns
unterwerfen, denn – „der Christus“, das ist die in Gen 1,26 erklärte göttliche
Abkunft des Menschen, also unsere wirkliche Natur. Unser Leben ist der Beweis
dafür, denn – in der Lebenseinstellung, die auf diesem Bewusstsein beruht,
finden wir unsere tiefste Identität, unser wahres Ich, das Ziel unserer
Sehnsucht.
Außerdem
erkennen wir in der Beleuchtung des Kontrasts zwischen unserem Ist-Zustand und
dieser Sehnsucht unsere sonst verborgenen Abhängigkeiten. In der Bibel [und im
Koran] wurden diese Abhängigkeiten als Ursache allen Übels ,,Götzendienst“
genannt, heutige Therapeuten sprechen von nicht bewusst wahrgenommenen
Abhängigkeiten und daher von einem zu erhellenden Unbewussten.
„Der
Christus“ ist demgegenüber der menschliche Kern, der zum Vorschein kommt, wenn
alles Unbewusste aufgeklärt ist. Wenn ein Mensch also unbehindert von
unbewussten Blockaden seiner Natur folgt, erscheint er als „ein Christus“ in
seiner natürlichen Menschlichkeit und Menschenfreundlichkeit. Wenn alle
Ressentiments abgebaut sind, dann kommt diese unsere natürliche Natur [im
Gegensatz zu der durch unsere behindernden Umstände angenommenen Natur] zum
Vorschein, die Art Natur, die auch die Natur Jesu war, die Natur, die unser
„himmlischer“ Vater uns gegeben hat, also die „Form“, die die schöpferische
Kraft in unserer Art angenommen hat.
Diese
Natur kommt nicht zum Vorschein durch irgendwelche Moral oder durch sonstigen
Zwang, sondern nur durch Sensitivität, also durch Bewusstheit und durch die
Absicht, es gut zu machen und nicht überrascht zu sein über Fehler.
Fehler
sind ganz normal. Wir lernen über Versuch und Irrtum. Wir müssen den Versuch
aber erst mal wagen – und welchen Versuch? Den Versuch, es gut zu machen,
effektiv zu sein, das zu erreichen, was wir intendieren. Dazu natürlich dürfen
wir nicht mehr zwanghaft unseren unbewussten, einprogrammierten Mustern folgen.
Wir müssen [immer] imstande sein, neu zu prüfen, was jetzt effektiv sein
könnte, wir müssen also aufmerksam sein, das heißt bewusst.
Wenn
jemand sagt, das ist mir zu anstrengend, ich will lieber einen leichteren Weg
gehen, dann brauchen wir ihn nicht zurückhalten, dann muss er erst die anderen
Erfahrungen machen, vor allem Erfahrungen des Scheiterns. Nur diejenigen, die
bereit sind [entweder weil sie diese Erfahrungen schon gemacht haben oder weil
sie aufgrund günstiger Umstände von vornherein vertrauen], können die Worte
hören. Die anderen glauben es noch nicht, sie müssen erst die Erfahrungen
machen, die sie lehren, zu hören, denn nur darum geht es.
In
der Lebenspraxis dieses Weges geht es daher um Hören und in der Konsequenz des
Hörens dann logischerweise darum, dem Gehörten zu folgen – also Wünsche zu
erfüllen, am besten natürlich Wünsche, die erst geahnt werden, die also noch
gar nicht an die Oberfläche gedrungen sind. Diese Wünsche des Anderen zum
Bewusstsein zu bringen und sofort in einer positiven Weise zu beantworten, das
ist der Weg. Auf diesem Weg gewinnen wir den Anderen, auf diesem Weg werden
wir, wie Jesus es gesagt hat, zu „Menschenfischern“.
Wenn
wir eine Lösung erreichen wollen, dann müssen wir als Gelöste handeln, und das
bedeutet eben, dass wir den anderen gewinnen, in jedem Moment neu. Wir können
ihn nicht mit alten Formeln gewinnen, obwohl die natürlich auch dabei sein
dürfen, weil sie ja zu unserer Geschichte gehören, aber wir müssen sie doch
jetzt neu auf die gegenwärtige Situation anwenden. Als Gelöste leben bedeutet,
in der Hingabe leben, die aus der Bewusstheit hervorkommt, aus dem Wahrnehmen
dessen, was wir wollen und was der andere will.
Die
Wünsche des Anderen erfüllen, heißt aber nicht, ihnen zwanghaft (aus einer
Moral oder aus einem anderen Zwang heraus) nachzugeben [das wäre, was heutige
Therapeuten „Ko-Abhängigkeit“ nennen], sondern ihnen nur so weit nachzugeben,
wie dies auch dem eigenen, von einer übergeordneten Perspektive aus
wahrgenommenen Lösungsbild entspricht; es geht ja um eine Einigung, nicht um
Zwang, und daher natürlich auch nicht darum, sich dem Zwang eines anderen zu
unterwerfen, sondern dem anderen immer nur so weit entgegenzukommen, als es
auch der eigenen Sehnsucht entspricht oder der eigenen Einsicht in die unvermeidlichen
Kosten eines Unternehmens und sei es des Unternehmens, mit seiner Partnerin zu
sprechen.
Wir
müssen überlegen, welcher Einsatz was bringt und dann natürlich das tun, was in
seinem Effekt unserer Intention entspricht, was die Kommunikation also vertieft,
bewusster macht, auf den Punkt bringt. Wenn wir effektiv sein wollen, dürfen
wir natürlich nicht verletzend vorgehen [außer wir würden klar sehen, dass das
in diesem Moment angebracht (= effektiv im Sinn unserer Intention) ist], nicht
mit Vorwürfen irgendeiner Art, sondern den Standpunkt des anderen einnehmend,
verstehend, auch eingedenk der eigenen Fehler und Schwächen. Das bedeutet
natürlich aber auch, dass wir dem anderen sagen, wenn wir verletzt sind durch
etwas, was er/sie getan hat.
Das
wiederum macht eine Unterwerfung notwendig unter die mögliche Folge, dass unser
Eingeständnis der eigenen Schwäche zum Angriff gegen uns benützt wird. Nur
werden wir jetzt auf einen Angriff anders reagieren, nicht mehr durch einen
Gegenangriff [zu dem uns möglicherweise außerdem die Kraft fehlt], sondern eben
durch Verstehen, durch ein Eingehen auf uns selbst und auf den anderen, damit
ein möglicher Ausgleich der Interessen entstehen kann. Ziel ist natürlich nicht
ein fauler Kompromiss, sondern ein sich Einigen wie bei einem Handel unter
Gleichen, ich geb dir das, du gibst mir das. Das bedeutet „Respekt“ vor der
göttlichen Erscheinung des Anderen.
Der
Ausgleich steht allerdings erst am Ende der persönlichen Entwicklung, zunächst
stehen wir in der Bringschuld, denn um jemand zu gewinnen, müssen wir in
Vorleistung treten. Und damit wir dazu fähig werden, müssen wir uns als erstes
mit unseren eigenen Abhängigkeiten auseinandersetzen, sie erst überhaupt einmal
erkennen. Damit erledigen sich unsere Vorwürfe gegen die Abhängigkeiten des
Anderen von selbst. Und das wird uns sehr helfen, denn, so sehr wir uns über
den Anderen vielleicht ärgern mögen, Vorwürfe bringen einfach nicht das
Ergebnis, das wir erreichen wollen, sie bringen nur Abwehr. Wenn wir etwas
erreichen wollen beim Anderen, können wir das nur, indem wir diese Abwehr
umgehen, indem wir uns aller Urteile über ihn enthalten und dann uns ihm
zeigen. Nur damit können wir ihn gewinnen. Das, diese Bescheidenheit und
Ehrlichkeit, dieser Mut zur Schwäche, ist das Neue, das jetzt die Beziehung
charakterisiert. Es geht um ein klares Angebot und um eine klare Nachfrage. Uns
muss klar sein, dass wir etwas bieten müssen, wenn wir etwas wollen und dass
wir es zuerst bieten müssen. Erst dann können wir nach etwas fragen und selbst
um etwas bitten. Das gilt auch in Notfällen, also wenn wir nichts zu bieten
haben und nur Hilfe brauchen. Auch da müssen wir unsere Bitte anbieten [die ja
wie ein Schuldschein ist] und uns einem möglichen Nein aussetzen.
So
sieht Bewusstheit praktisch aus.
Und
dadurch, dass wir mit unseren Beziehungen jetzt auf diese Weise bewusst
umgehen, werden wir menschlich. So wird der Christus in uns lebendig und er
fängt an zu herrschen. Und wenn er alles beherrscht, dann unterwirft er sich
selbst dem Herrscher des Alls, damit dann Gott alles in allem sei.
Die
schöpferische Kraft hat natürlich seit je her immer und überall geherrscht und
es gibt in der Wirklichkeit nichts, wo sie nicht herrscht. Aber wir haben die
Fähigkeit, uns für die Wirklichkeit blind zu machen und uns einzubilden, selber
zu herrschen. Doch dann geraten wir in Widerspruch zur universellen Herrschaft
der schöpferischen Kraft und sie wird uns unweigerlich durch frustrierende
Erfahrungen schmerzlich lehren, unsere Illusion zu durchschauen.
Jesus
ist deshalb der exemplarische „Christus“, weil er in exemplarisch reiner Weise
den Herrscher herrschen hat lassen. Dadurch ist er der Archetyp des Menschseins
geworden, später als der einzige „Sohn Gottes“ oder gar als „Gott selbst“
missverstanden. Aber nur als Archetyp kann er der Typ sein, dem wir
gleichförmig werden wollen in unserer Einstellung dem Leben gegenüber. Und nur
so können wir entdecken, dass sein Typ unser eigener Typ ist, unsere innerste
Sehnsucht.
Erst
in dieser Art Leben können wir wirklich loslassen und uns entspannen und
gleichzeitig zupacken, wenn es nötig ist, denn dann hält uns nichts mehr fest,
dann sind wir direkt in der Spur des Göttlichen und unser Handeln ist nicht
mehr vermittelt durch unsere Urteile über „gut“ und „schlecht“, die laut Gen
2,17 ja die Ursache sind für unser Unglück.
Logisch,
dass wir dann auch mehr von dem erreichen, was wir wollen [weil wir damit den
Sündenfall rückgängig gemacht haben und wieder ins Paradies zurückgekehrt sind]
– aber es ist nun nicht mehr das, was wir vorher wollten, „Gott“ hat ja nun die
Zügel in der Hand, wir übergeben sie „ihm“.
„Er“,
„Gott“? Wer soll das sein? Es ist das Leben, es sind die Situationen, in denen
wir stehen. In diesen Situationen begegnet „Er“ uns von außen. Nur da gibt es
einen „Nächsten“, der kein Gedankenobjekt ist, sondern ein realer Mensch. Wenn
wir ihn respektieren, werden wir alle Wesen so gut wie möglich bedienen, und
damit werden auch wir selbst so gut wie möglich gut bedient werden.
„Gott
herrscht“ bedeutet, dass wir uns an die Situation hingeben, in der wir stehen,
in jedem Moment neu, dass wir unser Gegenüber als etwas Göttliches sehen, in
normaler Sprache als einen ernstzunehmenden Menschen, der leben will, so wie
wir auch, und der eben auch nur kriegen kann, was wir ihm geben oder was andere
ihm geben. Und was will der Andere? Letzten Endes das Gleiche wie wir, nämlich
dass seine Sehnsucht Erfüllung findet. Wenn wir uns daher gegenseitig
Sehnsüchte erfüllen können, dann bringt uns das den Himmel auf die Erde. Wenn
Gott also herrscht, dann leben wir im Paradies.
Unter
diesem Aspekt müssen wir werben für das, was wir wollen und uns dann freuen,
wenn wir es bekommen, es als Geschenk sehen – und daher nicht frustriert sein,
wenn wir es nicht bekommen, wenn das unverdiente Geschenk also ausbleibt. Wir
haben keinerlei Anspruch. Wir brauchen aber auch keine Angst haben, dass unsere
Not nicht gewendet wird, denn wenn wir uns trauen, zu sagen, was wir möchten
und bereit sind, den Preis zu bezahlen, werden wir, so gut es nur geht, unsere
Wünsche erfüllt bekommen. Unsere Chancen sind dann also optimal. Und wir
brauchen auch keine Angst haben, unsere Bedürftigkeit und unsere Mängel zu
äußern, denn wir wissen: Jeder hat Wünsche und jeder hat Fehler, beides ist
ganz normal und unvermeidlich. Aber wichtig ist, dass wir zu dem stehen, was da
ist, dass wir unsere Fehler also auch zugeben, besonders, wenn sie uns
vorgeworfen werden. – Wenn wir den anderen gewinnen wollen, müssen wir wissen,
wir haben keine Kontrolle über den Anderen. Wir können daher auch Vorwürfe und
ungerechte Behandlungen nicht verhindern, wir können uns nur an unsere eigene
Neigung zu verletzen erinnern und verstehen, dann haben wir eine Chance. Dann
können wir den Anderen gewinnen. Es gibt nur diesen einen Weg. Alles andere
führt nur zur Frustration. Jeder Zwang hat seinen Teufelsfuß. Frieden gibt es
nur durch Übereinstimmung. Die muss erreicht werden. Und wir müssen damit
anfangen. Das ist die Regel.
Unter
dieser Regel müssen wir laufen wie in einem Wettkampf. Wir müssen so laufen,
dass wir siegen. Das meint Paulus. Das ist angewandte Bewusstheit.
Genau
so ist auch Jesus mit den Menschen umgegangen. Er hat ihre Sehnsucht gefühlt
und er ist ihr entgegengekommen.
Damals
gab es viele individuelle körperliche Heilungen, heute ist vielleicht auch noch
eine andere Art von Heilung gefragt, und sie wird dadurch möglich.
In
dieser Bewusstheit hat ein neues Leben für uns schon begonnen; es ist das
göttliche Leben, es ist unser zweites Leben, unsere Wiedergeburt zu Lebzeiten.
Was
ist nun aber mit dem von Paulus auch angesprochenen „Leben nach dem Tod“?
Wenn
wir in dieser Bewusstheit nicht nur durchs Leben, sondern auch in den Tod
gehen, dann kann es durchaus sein, dass wir bewusst in ein anderes Leben gehen,
dass wir durch den Tunnel des Todes hindurch bewusst bleiben. Und sollten wir
unser Bewusstsein verlieren, wie im Schlaf, dann könnte es darauf ankommen,
dass wir bereits vorher in unserem Leben genug Übereinstimmung gefunden (= erzeugt)
haben, dass wir damit zufrieden sein können, sodass wir unser Leben nicht
bereuen müssen. Und wir werden es sicher nicht bereuen müssen, wenn wir an uns
gearbeitet haben, egal in welchem Stadium wir ausgeschieden sind, denn dann
werden wir von der göttlichen Kraft wissen und davon, dass sie unser Wesen ist,
das uns niemals im Stich lassen kann.
Die
einen werden also möglicherweise sehenden Auges überwechseln in die andere
Dimension eines anderen Lebens, die anderen werden vielleicht von der Kraft transponiert
werden und dann feststellen, dass es genau richtig war, wie wir jetzt auch
feststellen können, dass unser Schicksal uns genau angemessen ist.
Aber
wir brauchen ein Leben nach dem Tod nicht dogmatisieren. Wir können auch mit
denen in Frieden leben, die nicht an ein Leben nach dem Tod glauben mögen. Für
sie gilt natürlich dieselbe Regel. Wenn sie so sensitiv wie möglich werden und
bewusst, dann wird ihr Leben so reich wie möglich. Daher ist es für dieses
Leben egal, ob einer an ein Leben nach dem Tod glaubt oder nicht. Für einen,
der jetzt richtig lebt, ist es tatsächlich egal, ob es ein solches Leben nach
dem Tod gibt, denn sein Einsatz ist doch schon in diesem Leben optimal.
Befriedigend ist ohnehin nur das Leben eines Samurai, also die Art des Lebens,
wie Jesus es geführt hat. Schon im Leben ist das Leben Jesu ja unübertrefflich,
nicht weil er so gut war, sondern weil er durch sein Fühlen und durch seine
Unterwerfung Gott gleichförmig geworden ist. Er war eins mit der Kraft, ein
Meister des „Kung Fu“, der innersten Wahrheit. Was könnte besser sein? Nur so
sind wir vollkommen, wie unser himmlischer Vater vollkommen ist [der es regnen
lässt über Gute und Schlechte].
„Gott
folgen“ heißt, an der Stelle, an der wir stehen, uns dem Leben aussetzen; im Vertrauen
auf die stets gegenwärtige schöpferische Kraft so handeln, dass das Beste dabei
herauskommt, so wie Jesus es auch gemacht hat.
„Ihn
hat es das Leben gekostet“, könnten wir denken – aber wir sind nicht er. Uns
muss es daher nicht das Leben kosten. Abraham, der im gleichen Geist gelebt hat
wie er, ist schließlich „alt und lebenssatt“ gestorben. Aber es wird uns in
jedem Fall unser altes Ich kosten, denn das kann nicht mit uns überwechseln in
die andere Dimension, denn in der anderen Dimension herrscht Gott. Und niemand
kann zwei Herren dienen.
Das
Ich ist der Götze – so scheint es allerdings nur, denn eigentlich ist es nicht unser wirkliches
Ich, aber wir identifizieren uns eben mit den Götzen. In der Einbildung, für
die wir uns halten, werden wir zu Sklaven unserer Abhängigkeiten. Wegen der
Einbildung wollen wir sie ja nicht loslassen. Wenn wir sie aber loslassen,
entdecken wir, dass wir etwas viel Besseres dafür bekommen, nämlich genau das,
was wir ersehnen. Aber nun sind wir nicht mehr die Gleichen, denn das Ich, das
sich in uns sehnt, ist unser göttlicher Kern, und im Bewusstsein vereint mit
ihm sind wir nun in einem neuen Leben.
Der
[recht verstandene] Glaube an den historischen Jesus ist deshalb [für die
Christen] so wichtig, weil er sie auf diesen Weg führt. Sobald wir auf diesem
Weg sind, sind wir selbst der Christus. Und der unterwirft sich freiwillig der
schöpferischen Kraft, denn sie führt ihn am besten, viel besser als die besten
Pläne eines noch so klugen Ich es könnten. Unter der Führung der schöpferischen
Kraft entwickelt sich unser Weg organisch, nicht mehr durch Zwang, wie noch
unter der Führung des Ich.
Zwang
bedeutet, Beelzebub mit Beelzebub austreiben. Das ist nicht nötig, wir brauchen
nur folgen, sensitiv werden, spüren, wahrnehmen. Dann ist unsere Reaktion schon
richtig.
In
dem Moment, in dem uns das alles bewusst wird, ist die Erleuchtung da – der
Punkt der unio mystica ist
erreicht. Dann gibt es nur noch eine Konsequenz: Hingabe an dieses Eine.
Ausgeliefert
sein an dieses Eine ist, wie schon gesagt, nicht eine Frage der Faktizität,
sondern nur eine Frage der Bewusstheit. Unterworfen sind wir ja ohnehin, warum
also nicht freiwillig? Dann nämlich sind wir im Fluss – und frei.
Durch
unsere Unterwerfung gewinnen wir die Freiheit, das ist das Paradox des Lebens.
Deshalb sagte Lao-tse „es ist widersinnig den Wesen“,
und deshalb kommen immer nur wenige dort hin, „die kleine Schar“, von der Jesus
gesprochen hat, die beschränkte Zahl der Auserwählten in der Apokalypse. Aber
deshalb bringt Jesus das Gleichnis vom Schatz und von der Perle. Für
„diejenigen, die Ohren haben“, zahlt es sich aus.
Dass
es nur um Bewusstheit geht, ist natürlich keine neutestamentliche
Ausdrucksweise, aber „Bewusstheit“ bezeichnet in der Sprache unserer Zeit genau
das, was Jesus oder Paulus intendieren.
Bewusstheit
bedeutet das Sehen der Resonanz der Kräfte, der osmotischen Organisation des
Kosmos. Bewusstheit bedeutet daher sehen, „wie Karma entsteht“, also sehen,
dass eine künstliche [dem „gut“/“schlecht“ unterscheidenden Denken
entspringende, nicht akzeptierende] Haltung und Handlung unerwünschte
Nebenwirkungen hat. Nur das Folgen hat keine Nebenwirkungen, nur indem wir uns
den Gegebenheiten unterwerfen und von diesen selbst bewegt werden, bleiben wir
frei von Karma – eben wie ein Surfer sich der Welle zu 100% unterwerfen muss,
damit er auf ihr reiten kann. Umso besser wir die Welle wahrnehmen, umso länger
können wir oben bleiben und umso freier sind wir in unseren Bewegungen. So ist
es mit allem. Deshalb: Unterwerfung macht frei.
Aber
nun ist schon klar, dass es nicht um die Unterwerfung unter irgendeinen alten
Aberglauben geht, sondern um die Unterwerfung unter die gegenwärtige Realität
in ihrer ganzen Tiefe. Logischerweise geht es natürlich auch nicht darum, sich
von irgendwelchen Realitäten wegschwemmen zu lassen, sondern sie zu benützen,
wie ein Surfer die Welle benützt. Das braucht natürlich Sensitivität.
Sensitivität
ist Bewusstheit. „Mitfühlen“ hat es der Buddha genannt. Die Nächstenliebe ist
ein Prüfstein dafür, nicht als eine Leistung, als eine Moral, sondern als ein
Zeugnis der Fähigkeit des Fühlens, als Bewusstheit. Sollte sich ein Mensch
[durch Zwang] zur Nächstenliebe verbiegen, würde ihm das gar nichts helfen,
denn er würde in seiner Unbewusstheit verharren, und der Pferdefuß würde sich
zeigen, der Zwang würde sich rächen, wir würden uns rächen, entweder an den
Anderen oder an uns selbst dafür, dass wir uns einem fremden Gott unterwerfen.
Es geht daher in keiner Weise um Moral. Bewusstheit ist alles. Das ist der
ganze Inhalt der Religion. Darin besteht der Christus und der Buddha, das
allein macht einen Propheten, einen inspirierten Menschen, allein Sensitivität,
Wahrnehmen, Bewusstheit.
Sensitivität
ist uns möglich durch die uns angeborene Apparatur unserer
Informationsverarbeitung. In ihr gibt es eine Funktion, die automatisch mit der
Idee kommt, in der die Lösung liegt. So sind wir gebaut. Dieses
Lösungs-Programm ist unserem Betriebssystem eingebaut. Aber dieses Programm
kann erst wirken, wenn wir ihm nicht etwas Erdachtes, etwas Errechnetes
entgegensetzen. Das heißt aber natürlich nicht, dass wir nicht denken sollten.
Das Denken ist eine unserer Fähigkeiten, aber für einen fühlenden Menschen hat
es eine untergeordnete Rolle. Seine Entscheidungen kommen nicht aus dem Denken,
sondern aus dem Fühlen, aus dem Wahrnehmen der ganzen Realität, von der das
Denken nur ein kleiner Ausschnitt ist.
Durch
dieses Wahrnehmen auch der Ergebnisse des Denkens wie aller anderen Faktoren unserer
Realität kann die Lösung automatisch erscheinen und wir können sie aufspüren.
Diese automatische Lösungs-Funktion ist das, was oft auch „innere Stimme“
genannt worden ist. Sie genau zu hören, sie unterscheiden zu können von
Verführungen, die möglichen Fallstricke zu erkennen, verlangt einiges an
Sensitivität. Das alles sind die Bedingungen der Bewusstheit, des Wahr-Nehmens
der Realität.
Ein
Mensch, der die Realität wahr nimmt, nimmt natürlich auch die Kraft wahr, die
die Realität beherrscht in den vielen ihrer Ausformungen. Er nimmt damit „den“ wahr, der ihm das All unterwirft
– und gerade indem er sich „ihm“ unterwirft, wird das All ihm unterworfen.
Die
Formel des Paulus ist in beide Richtungen richtig, ja nur in beide Richtungen
ist sie richtig.
Das
„nicht mehr Knechte, sondern Freunde habe ich euch genannt“, ist eine genauso
wesentliche Perspektive dieser Realität wie die des (dann logischerweise
freiwilligen) „Sklaven JAHWE’s“.
Die
„Freiheit des Christenmenschen“ beruht auf der Wahrnehmung dieser Realität, auf
der Wahrnehmung der Dialektik des Lebens, in dem Freiheit erlangt wird durch
Unterwerfung und in der Zwang entsteht durch Bestehen auf der Freiheit. Während
der Trotzige erfährt, „nichts geht mehr“, erfährt der, der sich freiwillig
unterwirft, dass alles geht, dass im Extremfall auf den Tod die Auferstehung
folgt – genau in die Art von Leben, für die wir jetzt bereit sind.