Warum lebende Propheten bei Priestern* und
Schriftgelehrten unbeliebt sind
25. April 2003
[* ich spreche hier selbstverständlich von dem
biblischen Archetyp, nicht von katholischen Priestern.]
Weil
sie aus Erfahrung sprechen und von da aus die Priester und Schriftgelehrten
angreifen, die aus der ursprünglichen Erfahrung lebendiger Menschen eine in
vieler Hinsicht unpassende Theorie gemacht haben, aus der sie moralische
Forderungen ableiten. Die Priester und Schriftgelehrten haben keine persönliche
Erfahrung, sie kennen Gott nur von Hörensagen, spielen sich aber als Experten
auf, weil sie die toten Propheten studiert haben – ohne je zu einer eigenen
Erfahrung gelangt zu sein.
Gelegentlich
machen auch Priester und Schriftgelehrte die Erfahrung, aber nur selten, weil
sie sich kaum von ihrem Dünkel, bereits zu wissen, lösen können.
Die
Erfahrung, von der ich spreche, ist nicht auf Propheten beschränkt. Auch ganz
normale Leute kommen zu der Erfahrung. Sie wirken dann aus dieser Erfahrung
heraus in ihrer Umgebung ohne Amt und Würden.
„Liebe“
ist diese Erfahrung genannt worden, die an sich jeder Mensch machen kann, die
niemand ausschließende Liebe. Deshalb wurde gesagt: „Wer in der Liebe bleibt,
der bleibt in Gott“. Solange diese Erfahrung da ist, wird Gott in diesen
Menschen sichtbar.
Doch
alle Worte über die Liebe helfen nichts, wenn die Erfahrung fehlt.
Dann
nämlich wird die Liebe [die ja etwas Natürliches ist] zu einem Ideal bzw. zu
einem Gebot. Die Folge ist „das Gesetz“, von dem Paulus sagt, es sei in
Christus überwunden. Und es hilft nichts, wenn das Gesetz in den schönsten und
idealsten Worten ausgedrückt wird. Es gibt nur die zwei Möglichkeiten, entweder
Gesetz oder Erfahrung. Die Nachfolge Christi kann nicht darin bestehen, dem
Gesetz zu folgen. Sie kann nur darin bestehen, nach der Erfahrung zu streben
und dann aus ihr heraus zu leben [was etwas völlig anderes ist als das moralische Fitnesstraining des Gesetzes]. Jedem Menschen
ist die Erfahrung möglich – ja sie ist gar nicht weit entfernt, nur, von der
Theorie aus, vom Gesetz aus, gibt es keine Möglichkeit heranzukommen. Es sind
dies zwei vollkommen voneinander getrennte Welten.
Das
spüren die Diener des Gesetzes, die Priester und die Schriftgelehrten. Sie
spüren, dass sie vom Wesentlichen unendlich weit entfernt sind. Das ärgert sie
und deshalb verfolgen sie die Propheten – wie schon Kain seinen Bruder Abel.
Was
meine persönliche Erfahrung anbelangt: Ich bin durch alle Theologie und
Frömmigkeit nicht zur Erfahrung der Liebe Gottes gelangt, dafür aber später
[weil ich einfach der Fährte der Wahrheit folgte und alles, was mir verlogen
schien, hinter mir ließ] durch eher „zufällige“ existentielle Erfahrungen [in
denen mir u.a. auch Jesus sichtbar geworden ist] und dann durch die Anleitung
verschiedener Meister aus verschiedenen Kulturen und Religionen – und dann erst
auch in kirchlichen Übungen. Deshalb weiß ich von den vielen Wegen. Und deshalb
weiß ich, dass jeder die Möglichkeit zu einem Zugang hat, dass daran absolut
nichts Exklusives ist. – Und dennoch werden die Zugänge so wenig genutzt. Jesus
sagte, das ist deshalb so, weil die Priester und Schriftgelehrten die Zugänge
besetzt halten und versperren. Aber keine Angst – es gibt unzählige andere
Zugänge. Und wenn die Erfahrung einmal da ist, sind auch die Priester und
Schriftgelehrten kein Hindernis mehr, allerdings sind sie auch keine große
Hilfe, weil ihnen die Erfahrung großteils ja fehlt. Immerhin sind sie so etwas
wie Museumswärter, durch die ein angehender Künstler Anschauungen von früheren
Kunstwerken bekommt, die ihm natürlich die Notwendigkeit, selbst Zugang zur
Inspiration zu finden, nicht abnehmen können, die ihm aber immerhin das
Erkennen echter Inspiration erleichtern.
Die
Erfahrung, von der ich sprach, ist nämlich immer verbunden mit Inspiration,
also mit dem Sehen des Weges, der immer eine Lösung darstellt der gerade
anstehenden Probleme.
Im
Unterschied zu den Lösungen des Gesetzes, die [bestenfalls] einfach eine
Hochrechnung vergangener Erfahrungen sind, sind die Lösungen der Inspiration
immer neu – weshalb die Propheten sagen „singt dem Herrn ein neues Lied“,
während die Priester nur die alten singen.