Shavuot : Pfingsten
Der gemeinsame Grund und die
Konsequenzen
Zufällig ist heute (12.6.2016) das jüdische Pfingstfest.
Die Christen haben es wegen Unterschieden in der Datumsberechnung schon vor
einem Monat gefeiert.
Interessant ist der Unterschied im Sinn des Festes.
Bei den Aposteln erscheint fünfzig Tage nach Ostern der Heilige Geist, der
ihnen immer sagt, was zu tun ist – bei den Juden wird fünfzig Tage nach Pessach
die Übergabe des jüdischen Gesetzes an Moses gefeiert, am Berg Sinai.
Vor einigen Jahren hatte ich Gelegenheit mit dem
amerikanischen Senator Jesse Jackson zu sprechen. Ich fühlte mich sehr geehrt,
denn er ist ein Mitstreiter von Martin Luther King.
Ich erzählte ihm, dass ich gerne Musik höre,
insbesondere die Musik der Afroamerikaner. Soul und auch Rap. Und dass mir
dabei etwas aufgefallen ist, das ihn als schwarzen Bürgerrechtler interessieren
könnte, nämlich der Gangster-Rap.
Jeder weiß, dass es eigentlich erst die
Bürgerrechtsbewegung in den Sechzigerjahren war, die die Schwarzen aus der
Sklaverei befreit hat, denn vorher durften sie sich nicht dort aufhalten, wo
Weiße unter sich bleiben wollten, sie mussten im Bus hinten sitzen, durften
nicht die Toiletten der Weißen benutzen und auch nicht die Schulen der Weißen
besuchen.
Daher ist das, was Martin Luther King und er, Jesse
Jackson, geleistet haben, ungefähr das, was Moses in Ägypten geleistet hat,
nämlich sein Volk aus der Sklaverei befreien.
Das ist absolut großartig, sagte ich.
Aber bei Moses ist die Sache damit noch nicht
erledigt. Es gab damals viele Probleme, denn die Israeliten waren es nicht
gewohnt, für sich selbst zu sorgen. Als Sklaven hatten sie zwar schwer arbeiten
müssen, aber sie wurden auch versorgt. Sie mussten nichteinmal
selbst kochen.
Aber jetzt mussten sie sich plötzlich um alles
selbst kümmern. Das waren sie nicht gewohnt. Deshalb gab es bald Aufstände
gegen Moses. Moses war klar, er musste etwas tun, wenn die gerade erst
befreiten Sklaven nicht hier in der Wüste umkommen sollten.
In seinen Gesprächen mit Gott wurde ihm gesagt, was
es jetzt braucht, ist ein Gesetz, sonst wird alles im Chaos untergehen.
Deshalb begab sich Moses auf den Berg, um dort von
Gott das Gesetz zu empfangen. Für die Christen sind das die zehn Gebote, für
die Juden ist es ihr gesamtes jüdisches Gesetz.
Aber während Moses auf dem Berg war, gab es unten
einen weiteren, außerordentlich gravierenden Aufstand, so gravierend, dass der
Bruder von Moses, Aaron, es nicht wagte, den Aufständischen zu widersprechen.
Sie wollten zurückkehren zu den Göttern der Ägypter. Sie wollten daher, dass
Aaron ihnen ein goldenes Kalb herstellte. Aaron sammelte daher den Goldschmuck
der Leute ein und goss daraus ein goldenes Kalb - ein Symbol für die
"Fleischtöpfe Ägyptens".
Dann begann der Tanz um das Goldene Kalb und er war
in vollem Gang, als Moses mit den Gesetzestafeln vom Berg Sinai zurückkehrte.
Als Moses das sah, würde er so wütend, dass er die
Gesetzestafeln an den Felsen dort zerschmetterte.
Er rief seinen Bruder Aaron zu sich und ließ sich
berichten. Dann ließ er die Leute abstimmen und alle, die für das Goldene Kalb
gestimmt hatten, hinrichten.
Damit war klar, wer das Sagen hatte und auch, wie
es weitergehen würde.
Nun aber waren die Gesetzestafeln kaputt. Moses
musste also nochmal hoch auf den Berg, um sich von Gott neue Tafeln machen zu
lassen.
Das Fest, das die Juden heute feiern, ist das
Gedenken an die dramatischen Ereignisse in Zusammenhang mit der Gesetzgebung am
Berg Sinai – denn durch das Gesetz konnten die Israeliten in der Wüste
überleben. Durch das Gesetz lernten sie Disziplin – und auch die Schrift.
Seither gibt es keinen Juden, der nicht lesen und schreiben kann. Durch ihr
Gesetz sind die Juden heute allen anderen überlegen und zwar auf allen Gebieten
der Kultur.
Beispielsweise gibt es seit Einführung des
Nobelpreises nur zwei naturwissenschaftliche Nobelpreise für Muslime (bei 1,5
Milliarden Muslimen), aber mehr als 200 Nobelpreise für Juden (bei 15 Millionen
Juden). Bei den Christen ist das Verhältnis besser, aber auch ihnen gegenüber
sind die Juden so sehr im Vorteil, dass zuallerletzt einer, der die Deutschen
an der Spitze sehen wollte, schließlich sechs Millionen Juden umbringen ließ,
bevor er sich selbst umbrachte, als ihm klar wurde, dass seine Rechnung nicht
aufgegangen war.
Nun aber zurück zu Senator Jesse Jackson, den
Anführer der schwarzen Bürgerrechtsbewegung heute:
Nachdem ich ihm gesagt hatte, wie sehr ich die
Musik der Schwarzen mag, sagte ich ihm, dass mich der Gangster-Rap sehr an den
Tanz der Israeliten um das Goldene Kalb erinnerte.
Der
Senator war richtig böse auf mich, nachdem ich das gesagt hatte. Er wollte vor
allem zeigen, dass die weißen Machthaber schuld sind an der Misere der
Afroamerikaner – aber was hätte es Moses geholfen, den Ägyptern die Schuld zu
geben?
Recht bedacht, geht es bei dem heutigen Feiertag daher darum, aufzuhören,
irgendjemand die Schuld zu geben. Es geht um den Weg zur Selbstdisziplin – ohne
die natürlich auch kein Heiliger Geist erscheint.