Sola fide – allein durch Glauben

25. 1. 2004

 

 

„Allein der Glaube rechtfertigt vor Gott“, so ungefähr sagte es der große Reformator Martin Luther im Anschluss an Paulus (Röm 3,28), um gegen Auswüchse der Bußpraxis der katholischen Kirche zu protestieren. Heute wird dieser Satz von der katholischen Kirche bestätigt. Aber was bedeutet er?

 

Von welchem „Glauben“ ist da die Rede? Etwa von dem Glauben der sogenannten „Glaubensbekenntnisse“? Nein, diesen Glauben bekennen viele, die weit entfernt sind von der Rechtfertigung – auch wenn sie sich gerechtfertigt fühlen, weil sie durch ihr Bekenntnis „dazugehören“.

Aber was soll „Rechtfertigung“ vor Gott bedeuten? Warum sollte sich irgendwer rechtfertigen müssen, wofür? Gehört für Gott irgendwer nicht dazu?

Das alles deutet eher auf obrigkeitsstaatliche Gehorsamsübungen, eine mittelalterliche Angelegenheit.

 

Was mit „Glauben“ im Kern gemeint ist, finden wir woanders. Es wird am besten an einem Satz klar, der zunächst das Gegenteil des ersten Satzes zu bedeuten scheint, nämlich „Handeln ohne zu glauben“. Gemeint ist ein Handeln ohne jede Sicherheit, ein Handeln im vollen Risiko, ein Handeln, obwohl alle sagen würden, „das kann unmöglich gelingen“, also ganz offenbar ein Handeln für das es kein vorgefertigtes Glaubensbekenntnis gibt.

Und doch ist das gemeinte Handeln weder willkürlich noch grundlos.

Es schöpft aus dem Nichts.

Dem bewusst erfahrenen und zugelassenen Vakuum der Not folgt eine Vision, die eine noch nie da gewesene Lösung zeigt und gleichzeitig folgt die Kraft, ihr Bild zu materialisieren. Was da geschieht, ist eine Schöpfung aus dem Nichts – wie jede Schöpfung von Anfang an.

Insofern haben die Buddhisten recht, wenn sie sagen, dass das All nicht aus Gott, sondern aus dem Nichts hervorgeht. Und die Theisten haben recht, wenn sie meinen, dass das All im Nichts schon als Potenz vorhanden ist und wenn sie diese Potenz „Gott“ nennen. Gott ist nichts, Gott ist reine Potenz. Und zu dieser Potenz haben wir Zugang.

Sola fide bedeutet daher, es wagen, sich dem Nichts auszusetzen und sich von der imminenten Vernichtung bewegen zu lassen.

Ein Handeln von da her ist gleichzeitig ein Nicht-Tun, in der Bedeutung die Lao-tse oder Castaneda vorschlagen, denn was aus dem Nichts hervorkommt, unterliegt nicht unserer Kontrolle, es ist eine Resultante der Realität, es ist eine perfekte, aber zuvor nicht gekannte Antwort auf unsere Situation. Wir hätten niemals auf die Idee kommen können. Es ist reine „Gnade“, ein reines Geschenk ohne jedes Verdienst.

Sola fide bedeutet dadurch aber auch, sein ganzes Sein dafür aufs Spiel zu setzen – so wie die Samurai es tun.

Und damit wären alle vereint.

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