Warum es nur eine Religion gibt
30. 4. 2002
Wenn
wir die geistigen und materiellen Einrichtungen betrachten, die die Menschen
geschaffen haben, um ihre Beziehung zur schöpferischen Kraft auszudrücken,
sehen wir, dass dafür in verschiedenen Regionen der Welt unterschiedliche
Lösungen gefunden worden sind. Überall geht es darum, jene innere Einstellung
zu entdecken, in der ein Mensch den Geist des Ganzen empfangen kann. Das
Ergebnis dieses menschlichen Strebens sind die Religionen und andere Methoden,
sich selbst zu finden, den optimalen eigenen Platz in der Welt zu entdecken und
den Sinn der Existenz zu ergründen.
Die
gegenwärtige Einstellung der meisten Anhänger dieser Religionen ist aber so,
dass sie den Anhängern der anderen Religionen die Fähigkeit absprechen, mit der
schöpferischen Kraft [oder im Fall der Buddhisten mit der „Leere“] in Kontakt
zu treten. Sie gestehen ihnen vielleicht noch zu, dass sie es versuchen, dass
sie es aber nie wirklich schaffen könnten, weil ihnen doch die wahre Religion
fehle, nämlich die ihre.
Diese
Menschen haben noch nicht bemerkt, dass Gott den Menschen die Fähigkeit, mit
ihm in Kontakt zu treten, schon eingebaut hat. Und in dem Maß, in dem sie das
noch nicht bemerkt haben, fehlt ihnen auch selbst der Zugang. Aber umso
fanatischer sind sie oft, weil sie das doch sehr ärgert.
Wer
aber bemerkt hat, dass es sich beim Kontakt mit der schöpferischen Kraft um
eine urmenschliche Fähigkeit handelt [in der Sprache des Evangelisten Johannes
die Fähigkeit, „Kinder Gottes zu werden“], der wird notwendigerweise auch
bemerken, dass die Unterschiede zwischen den Religionen nicht zu deren
wesentlichen Wahrheiten gehören, sondern dass sie auf kulturbedingten
Eigenheiten beruhen, die den Eigenheiten der erprobten Wegen
anderer Kulturen in keiner Weise überlegen sind. Dennoch ist ein Weg einer
Religion nicht einfach nur ein beliebiger unter vielen, sondern für die
Menschen dieser Kultur es ist ein uneingeschränkt
gültiger Weg und daher „der“ Weg. Die Angehörigen anderer Kulturen können
diesen Weg erst nachvollziehen, nachdem sie auch die kulturellen Prämissen
nachvollzogen haben. Für sie empfiehlt es sich daher, ihren eigenen Weg zu
gehen, der jenem in keiner Weise unterlegen ist, aber zu anderen Formen führt.
Die
Unterschiede sind okay, sie dürfen sein. Aber sie sind kein Gütezeichen. In
ihrem Wert unterscheiden sich die Wege nicht. Wer einen Weg gefunden hat, der
ist am Ziel seiner Suche angekommen – mehr ist nicht möglich.
Christlich
ausgedrückt, wer einen Weg gefunden hat, ist „wiedergeboren“ und mit allen
Konsequenzen „ein Kind Gottes“ geworden. Die Buddhisten würden vielleicht
sagen, er hat entdeckt, wie er in der Leere ruhen kann und wie er aus ihr
Lösungen schöpfen kann für alle Belange seines Lebens und der Welt. Ghandi, Nelson Mandela, die Mutter Theresa, die
Zen-Meister, die indischen Gurus, die tibetischen Lamas, die Sufi-Meister, aber
auch Bhagwan und seine Nachfolger, haben ihren idealen Platz im Leben gefunden.
Und sie werden dadurch für viele andere zum Vorbild, durch das sie den Weg zu
ihrer persönlichen Identität zu entdecken hoffen. Sie sind dadurch jeweils zu
Begründern neuer Traditionen geworden. Allerdings begreifen nicht alle ihre
Anhänger den Geist ihres persönlichen Strebens wirklich. Viele meinen stattdessen,
es ginge um Nachahmung und der Weg müsste ein für alle mal
festgeschrieben sein, d.h. aus Sorge, den Weg zu verfehlen, wollen sie anstelle
der Freiheit ihrer Vorbilder erneut das Gesetz einführen. Tatsächlich aber gibt
es auf dem spirituellen Weg keine Garantie – in keiner Tradition. Letztlich ist
der persönliche Weg nicht „erreichbar“, er ist ein Geschenk, das uns zuteil wird, wenn wir uns in die vertrauende Haltung (das
berühmte „Glauben“) begeben können, in der wir allein fähig sind, dieses Geschenk
zu empfangen.
Diese
Einstellung habe ich in den vorangegangenen Aufsätzen in vielen Facetten
beschrieben.
Vielleicht
wäre es für den Leser aber auch nicht von Nachteil, ein wenig mehr darüber zu
erfahren, wie ich zu diesen Einsichten gekommen bin:
Alles
begann damit, dass ich eines Tages, als ich etwa fünfzehn Jahre alt war, wie
vom Blitz getroffen wurde von der Einsicht, dass ich – im völligen Kontrast zu
meiner bisherigen Lebenseinstellung – Priester zu werden hatte. Von diesem
Moment an verbesserten sich meine Schulleistungen drastisch und ich entwickelte
großes Engagement. Sogar mein Aussehen verbesserte sich. Und ich tat alles, um
mich auf mein Ziel optimal vorzubereiten. Ich las sehr viel, besonders
Heiligenbiografien und Bücher von Mystikern wie Johannes vom Kreuz und anderen.
Und ich begann Theologie zu studieren.
Da
ich aber wirklich „Priester“ werden wollte, hatte ich einen großen Anspruch
darauf, wirklich die Wahrheit zu erfahren und alle Zweifel zu beseitigen. Aus
diesem Grund las ich während meines Theologiestudiums auch sehr viel kontroversielle Literatur, und ich stellte fortwährend so
viele kritische Fragen, dass der Regens des Priesterseminars, in das ich mich
begeben hatte, mir am Ende meines vierten Studienjahres riet, doch das Seminar
für ein Jahr zu verlassen und in einer anderen Stadt zu studieren, nämlich
genau das Jahr, in dem meine Kurskollegen zu Priestern geweiht wurden. Er
meinte, vielleicht würde ich ja von der Idee, Priester zu werden, abkommen.
Ich
ging nach Wien. Zufällig war dieses Jahr aber das Jahr 1967/68, das Jahr der
Studentenunruhen. Die meisten meiner Freunde in Wien waren Künstler und in der
vordersten Avantgarde dieser Bewegung. Ich sog alles auf wie ein feuchter
Schwamm. Durch meine Suche nach wahrer Gerechtigkeit begeisterte ich mich für
den Marxismus und schwor auf Maos rotes Büchlein. Und weil sich in den alten
Traditionen so viel als unecht herausgestellt hatte, rechnete ich mich zur
Avantgarde der Erneuerer. Deshalb setzte ich mich auch entsprechenden künstlerischen
Happenings aus, etwa solchen, bei denen Blut ins Publikum verspritzt wurde und
ähnliches. Für einen Angehörigen der Avantgarde war es damals auch nötig,
besondere Formen von Musik zu hören, etwa die von „Mother’s
Convention“, der Gruppe von Frank Zappa etc..
Mit
all dem zog ich im Jahr darauf wieder ins Priesterseminar in Salzburg ein,
immer noch fest entschlossen, Priester zu werden, der erste sozialistische
Priester. Doch natürlich kam es anders. Ich wurde nicht geweiht. Der Bischof
weigerte sich.
So
musste ich zum Ende des Wintersemesters aus dem Priesterseminar ausziehen.
Dennoch schloss ich mein Theologiestudium ordentlich ab und begann anschließend
das Studium von Geschichte und Politikwissenschaft. Gleichzeitig trat ich in
eine Psychoanalyse ein, denn nun wollte ich Psychotherapeut werden. Das sollte
allerdings noch eine Weile auf sich warten lassen, es kam erst zwanzig Jahre
später.
Ich
begann auch ein Dissertationsprojekt, in dem ich den Philosophen Leszek Kolakowiski, damals noch Mitglied des ZK der
Kommunistischen Partei Polens, von links überholen wollte. Mein Professor
weigerte sich, die erste Fassung zu lesen, bevor ich nicht den Adorno-Stil, den
ich mir angewöhnt hatte, daraus beseitigt hätte, denn diesen Schreibstil
empfand er als eine Zumutung.
Noch
bevor ich die zweite Fassung anfertigen konnte, ging mir das Geld aus. Ich
musste arbeiten, um mir den Lebensunterhalt für die noch nötige Zeit zu
verdienen.
Die
Arbeit brachte überraschend viel Geld. Nach neun Monaten hatte ich so viel
Überschuss, dass ich mir vor Abschluss meiner Doktorarbeit sogar noch einen
Traum erfüllen konnte – mit einer Reise nach New York.
Ich
buchte also einen 40-Tage Hin- und Rückflug. Ich konnte dort bei Freunden
wohnen. Es war für mich tatsächlich die Erfüllung eines Traums. New York
begeisterte mich vollends. Alles passte. Auch dass ich dort eine unbefristete
Einladung nach San Franzisko bekam.
Ich
brach daher nach meinem Rückflug meine Zelte in Österreich ab und fuhr mit Sack
und Pack nach Kalifornien. Was folgte, war eine wilde Zeit, eine Zeit von Sex and Drugs and Rock and Roll. Und doch blieb ich dabei stets auf die Wahrheit
bedacht, als ein Erforscher des Lebens in den verschiedensten Strömungen und
Strudeln des Daseins.
Meine
hier vorwiegend schwarzen Freunde bereiteten mir einen Kulturschock nach dem
anderen. Sie zwangen mich, zu sehen, dass es ganz andere Weisen gibt, das Leben
und die Welt zu betrachten und dass diese Weisen sehr viel hatten, was für sie
sprach. Ich konnte die Intensität manchmal gar nicht ertragen. Ich musste
fliehen, suchte sie aber immer wieder, bis ich auch darin einigermaßen heimisch
wurde.
Gleichzeitig
lernte ich noch eine andere Welt kennen, die Welt eines illegalen Ausländers.
Da offizielle Jobs mir verschlossen waren, verdiente ich meinen Lebensunterhalt
ohne Arbeitserlaubnis als Automechaniker. Einige Jahre später wurde ich
deswegen bei einem Grenzübertritt in Chicago festgenommen und man drohte mir
die sofortige Abschiebung an. Während meiner Zeit in San Francisco aber hatte
ich nie Probleme mit der Immigrationsbehörde. Einmal musste ich sogar als Zeuge
in einem Prozess aussagen. Nie wurde ich nach einem Visum gefragt. Niemand nahm
Anstoß daran, dass ich ein Ausländer war, ja man bemerkte es vielleicht gar
nicht.
Die
Arbeit als Automechaniker war es aber schließlich, die mich nach Europa
zurückgebracht hat, denn sie raubte mir die Energie für das, was ich eigentlich
tun wollte. Es drängte mich, all das aufzuschreiben, was ich erfahren hatte.
Aber ich war nach der Arbeit einfach zu müde und höchstens noch fähig in eine
Disko zu gehen und alles abzuschütteln oder zu Hause fernzusehen. Das war nicht
mehr mein Traum. Daher entschloss ich mich, zurückzukehren.
In
diesen fast fünf Jahren in San Franzisko hatte sich
mir die ganze Welt auf ganz neue Weise eröffnet. Aber ich hatte gar keine Wahl.
Meine europäisch und persönlich geprägten Vorstellungen stürzten mich häufig in
heftigste Konflikte, an deren Tiefpunkt ich aber immer wieder durch so etwas
wie mystische Erfahrungen gerettet wurde. Durch diese gewann ich ein völlig
neues, für mich aber evident-authentisches Verständnis des Glaubens und der
Bibel, das bis heute Gültigkeit hat. Und zudem gewann ich dadurch auch Zugang
zu den Geheimnissen des Hinduismus und des Buddhismus, mit denen ich mich wegen
meiner erstaunlichen Erlebnisse intensiv auseinandersetzte.
Mit
dieser Fracht fuhr ich zurück nach Österreich und begann in Salzburg, meine neu
entdeckte, alte Religion zu unterrichten. Ich hatte mir vorgenommen, meinen
Schülern die Wahrheit in keiner Weise zu verheimlichen. Allerdings scheiterte
ich eines Tages im zweiten Jahr an einer Harmlosigkeit in einer
Sexualkundestunde, für die einige Schüler dieser Klasse aber offenbar noch
nicht bereit waren. Es gab einen Protest einer Mutter und der Direktor der
Schule beschwerte sich beim Pfarrer und bat um meine Entlassung.
Für
mich kam das allerdings gerade recht, weil ich meine religiösen und
philosophischen Einsichten gerade zu Papier gebracht hatte in einem Manuskript,
das ich „Das Tausendundeinte Evangelium“ nannte.
Diese
Einsichten wollte ich nun auf die Probe stellen, indem ich mir einen Meister
suchte.
Da
ich in keinem der christlichen Meister, die ich kennen gelernt hatte, meinen
Meister erkennen konnte, wollte ich nach Indien reisen. Damals war Bhagwan
schon bekannt, aber ich wollte auf keinen Fall zu ihm, denn die Schüler von
Bhagwan, die ich kennen gelernt hatte, hatten auf mich keinen sehr attraktiven
Eindruck gemacht. Aber mit einem Freund, der in Indien gelernt hat, die Flöte
meisterhaft zu spielen, wollte ich eine Indienreise unternehmen.
Doch
es kam anders.
Ich
hatte bereits meine Angelegenheiten geregelt, mein Zimmer gekündigt etc., als
mich ein Bekannter aus Wien mit erstaunlicher Hartnäckigkeit drängte, doch vor
meiner Indienreise einen Sufi-Meister kennen zu lernen. Ich betrachtete seinen
ungewöhnlichen Energieinsatz als ein Zeichen und fuhr
hin. Und damit hatte ich für den Moment tatsächlich meinen Meister gefunden.
Als
dieser Sufi-Scheichwenige Monate später bei einem
Autounfall ums Leben kam, besuchte ich seine Meister in Ägypten und im Sudan.
Erneut
war ich in einer völlig anderen Welt. Ich brauchte lange neun Monate, um mich
einzuleben. Doch am Ende dieser Zeit gelang es mir, die erwünschte Bestätigung
für meine Sicht der Dinge durch den obersten Scheich dieses Sufi-Ordens zu
bekommen.
Damit
kehrte ich nach Europa zurück und landete durch Zufall in München. Angereichert
mit vielen neuen Erfahrungen, insbesondere auch was den orientalischen Umgang
mit alten sakralen Texten und die Legendenbildung betrifft, begann ich hier,
Religion zu unterrichten. Ich war voll Enthusiasmus, aber das Unterrichten fiel
mir sehr schwer, weil ich den Widerstand der Schüler als äußerst schmerzlich
empfand. Sie wollten sich mit den Fragen der Existenz eher nicht
auseinandersetzen, aber ich wollte nur das. So kam es, dass ich nach drei
Jahren eine Pause in meiner Tätigkeit einlegte, um alles noch einmal zu
überdenken.
Ich
las sehr viel während dieser Pause, vorwiegend anthropologische Literatur über
die Ursprünge der Religion. Und ich las Castaneda,
den ich nach meiner Rückkehr aus den USA kennen gelernt hatte. Trotz der weit
verbreiteten Bezweiflung seiner Seriosität war ich fasziniert von seinen
„Berichten“. Ich las sämtliche Bände immer wieder und versuchte jedes Detail zu
verstehen. Dadurch hat mir der Fischer-Verlag schließlich angeboten, ein
Register zu einem neuen Castaneda-Band zu machen.
Allerdings wäre die Bezahlung in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand
gestanden; außerdem hatte ich dem Verlag ein Gesamt-Register vorgeschlagen,
eine Art alphabetisches Castaneda-Lesebuch und war
daher enttäuscht von der angebotenen Minimal-Version. Dennoch tut mir heute die
Arroganz leid, mit der ich das angebotene kleine Register ablehnte. Dadurch
konnte es natürlich auch nicht das von mir erwünschte größere Register geben,
was ich nach wie vor bedauere. Ich bin nämlich immer noch davon überzeugt, dass
Castaneda Unschätzbares geleistet hat für ein
tieferes Verständnis spiritueller Zusammenhänge, sowohl was die Arbeit der
Schamanen aller Kulturen betrifft, wie auch all das, was durch eine der großen
Religionen mit Menschen geschehen kann.
In
dieser Zeit lernte ich einen japanischen Shiatsu-Meister
kennen, der seine Technik aufgegeben hatte zugunsten des Weges, den er selbst
entdeckt hat. Er nannte seine Arbeit „Sei-ki-soho“. Es ist ein einfühlender Weg, Menschen körperlich zu
„behandeln“. Ich lernte sehr viel durch ihn, insbesondere weil ich später neun
Monate zusammen mit ihm eine WG bildete und fast meine ganze Zeit mit ihm
verbrachte, denn auch das war noch während meiner ersten Arbeitspause. U.a.
übersetzten wir gemeinsam Texte, die er verfasst hatte, ins Deutsche. Es sind
sehr treffende Texte über genau die Einstellung, durch die die Wahrheit fühlbar
wird.
Als
ich erneut in die Arbeit als Religionslehrer einstieg, war er bereits in eine
andere Stadt gezogen. Ich begann nun eine Psychotherapieausbildung. Formell
lief sie unter dem Titel „Verhaltenstherapie“, praktisch war es systemische Therapie.
Ich lernte Hypnose, Autosuggestionen, Entspannungstechniken und die Kunst des
zirkulären Fragens. Dazu kam bald darauf das Familienstellen nach Hellinger.
Gleichzeitig nahm ich an Drogenexperimenten teil, die mir unglaubliche
Erinnerungen bescherten, sogar an „Gedanken“ und Gefühle aus der Zeit vor
meiner Geburt. Und diese Erinnerungen brachten eine erstaunliche Ruhe, die
ausstrahlte auf alles, was ich tat.
In
dieser Zeit begann ich, in einem psychiatrischen Rehabilitationsheim zu
arbeiten und ich lebte – allerdings auf Abstand – in einer Beziehung. In meiner
neuen Arbeit erfuhr ich, dass meine naiven Fragen eine sehr starke Wirkung auf
die Patienten hatten. Als ich später therapeutische Elemente aus meiner
Ausbildung integrierte, hat sich die Intensität dieser Wirkung deutlich
verringert, weil durch die Methode meine ursprüngliche naive Ehrlichkeit
beeinträchtigt worden ist.
In
diese Zeit fielen auch starke spirituelle Erfahrungen mit der katholischen
Liturgie. Die Person Jesu kam mir sehr sehr nahe.
Meine
Arbeit in der Psychiatrie war erfolgreich. Meine religiösen Gesprächsrunden
waren besser besucht als viele gleichzeitig angebotene Kinobesuche mit freiem
Eintritt.
In
dieser Zeit schrieb ich ein Buch, das aus meiner Arbeit mit den Klienten dieses
Rehabilitationsheims hervorgegangen ist. Mir fiel nämlich auf, dass ich in den
biblischen Geschichten, die ich erzählte, für mich selbst oft völlig
verblüffende Wendungen fand, die genau auf die Situation meiner Zuhörer
passten. Das Buch heißt entsprechend „Auferstehung – vor dem Tod. Therapeutisch
arbeiten mit biblischen Texten.“
Als
das Buch schon eine Weile auf dem Markt war, lernte ich wieder einen Menschen
kennen, der mich sehr faszinierte. Er brachte uns Teilnehmern eines Workshops,
den er veranstaltete, durch Tanzen so sehr ins Schwitzen, dass das Wasser vom
Schweiß der Leute riesige Pfützen auf dem Boden der Halle bildete. Mit diesem Ordeal versprach er „Dynamische Körperenergie-Befreiung“.
Das kannte ich noch nicht. Obwohl alle meine Freunde mich warnten, musste ich
es kennen lernen.
Nach
jahrelangem Encounter in einer von ihm zusammengestellten Gruppe hatte ich
schließlich aber die Schnauze voll. Im letzten Jahr war die Auseinandersetzung
so intensiv geworden, dass sie meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Da
es dafür keine andere Möglichkeit zu geben schien, machte ich eine weitere
Pause in meiner Arbeit. Der Zeitpunkt koinzidierte mit einer gewissen
Erschöpfung meiner Möglichkeiten an meiner Arbeitsstelle. Der Grund dafür war
mir damals nicht ganz klar, aber es hatte damit zu tun, dass das Haus, in dem
ich arbeitete, nur etwa einhundert Klienten hatte, die überdies eher
überversorgt waren, wodurch viel von dem, was ich aufbaute, von anderen
Experten wieder zerstört wurde.
Nach
zwei Jahren Pause wollte ich meine Arbeit in der Psychiatrie wieder aufnehmen.
Um die unbefriedigende Situation von zuvor zu vermeiden, entwickelte ich mit
Hilfe vieler interessierter Menschen ein Konzept für ambulante
Psychiatrieseelsorge. Fast alle Klinikchefs in München befürworteten mein
Konzept und es war in aller Munde, sodass sich die Erzdiözese genötigt sah,
tatsächlich eine Stelle für ambulante Psychiatrieseelsorge einzurichten.
Allerdings hatte man mir meine vorangegangene Kündigung nicht verziehen. Die
Stelle wurde daher nicht mir zugesprochen, der ich alle Vorarbeit dazu
geleistet hatte, sondern einem neuen Mann, der sich in die Materie erst
einarbeiten musste. Ich bekam wieder eine Stelle in der Schule angeboten und
dort stieg ich ein.
Und
dann begann ich, an diesem Buch zu arbeiten, zunächst noch ohne Vorstellung
darüber, was daraus werden sollte. Erst im Laufe der Zeit stellte sich heraus,
dass ich eine Philosophie und eine Theologie beschrieb, in der sich alle
Menschen aller Religionen und Wege wiederfinden können.