Wie
sieht das Leben im Reich Gottes
in unserer Zeit aus?
(21. 10. 2001)
Es ist ein Leben voll Ehrlichkeit. Das ist alles.
Zunächst Ehrlichkeit sich selbst gegenüber.
Daraus folgt automatisch eine größere Bewusstheit.
Ehrlichkeit heißt „wahrnehmen, was ist“. Und dann klar
äußern, was man wünscht. Natürlich nicht dumm plump, sondern mitfühlend mit
denen, von denen man etwas wünscht.
Das Äußern eines Wunsches macht verletzlich. Wir
müssen uns dem Risiko einer Ablehnung aussetzen. Und wir müssen eine Ablehnung
ohne Groll akzeptieren, weil wir doch die Freiheit des Anderen achten, weil wir
ihn achten als ein ebensolches göttliches Wesen, wie wir selber es sind. Aber
indem wir es tun, nämlich unsere Wünsche äußern, gehen wir auf eine vollkommen
natürliche Weise auf den Anderen ein. So will es die Natur. Und auf diese Weise
ist die Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung viel geringer als unter anderen
Umständen, wenn der Wunsch nämlich nicht geäußert wird. Es besteht einfach die höchstmögliche
Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs unter Berücksichtigung der Freiheit des
Anderen.
Wenn wir diese Freiheit nicht achten würden, könnten
wir uns selbst auch nicht mehr achten. Und gleichzeitig würden wir uns der
maximalen Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns aussetzen. Tatsächlich ist die
Tendenz dazu bei den meisten Menschen vorhanden, sofern das Nichtachten der
Freiheit des Anderen nicht sogar sehr deutlich ausgeprägt ist.
Und genau das Nichtachten der Freiheit des Anderen ist
es, was früher „Karma“ etc. genannt worden ist. Es ist wie ein Fluch, der auf
uns lastet. Woher immer dieses Schicksal kommen mag, es ist da – wir können es
entweder als eine Herausforderung annehmen und überwinden, oder es ablehnen und
scheitern. Und wir können es nur auflösen, indem wir den Anderen vollkommen
achten – unter extrem seltenen Umständen, wie im Fall von Hinrichtungen durch
Samurai in Japan, sogar noch so, dass der Henker, bevor er den tödlichen Schlag
ausführt, sich bei dem Todgeweihten entschuldigt für dieses plötzliche Ende des
Lebens, das er ihm bereiten muss.
Wer die Freiheit des Anderen achtet, hat sein eigenes
Karma bereits aufgelöst.
Die Auflösung des Karma ist unsere Lebensaufgabe. Sie
führt zu dem, was Jesus „Wiedergeburt“ genannt hat. Danach folgt ein neues
Leben und eine neue Lebensaufgabe. Es ist ein Leben für die Anderen. Und zwar
genau da, wo man sich befindet. Jeder in seinem Umkreis – das hat Jesus gemeint
mit dem „Nächsten“.
Dabei braucht sich keiner unter Wert verkaufen.
Deshalb hat Jesus gemeint, wir sollen unser „Licht nicht unter einen Scheffel
stellen“. Nächstenliebe heißt nicht das, was üblicherweise „Selbstlosigkeit“
genannt wird, denn der Arbeiter ist seinen Lohn wert. Nur ohne
„Selbstlosigkeit“ ist unsere Nächstenliebe frei von jeder Art (eingebildetem)
Anspruch, einfach frei, ein natürlicher Impuls, der mit dem Wissen um die
Richtigkeit verbunden ist. Es ist nicht ein „Gefühl“, sondern ein vollkommen
bewusster Impuls.
So einem Impuls nachzugeben, gibt ein absolutes
Wohlgefühl, ein Gefühl der totalen Übereinstimmung – eine Art Einssein mit dem
göttlichen Willen, ein vollkommes im Einklang Sein, ein paradiesisches Gefühl.
Das ist bei Gott im Himmel sein. Das ist im Reich Gottes leben.
Es geht nur im absoluten Respekt, vor sich selbst und
vor den Anderen. Und der ist nur möglich durch vollkommene Ehrlichkeit.
Dann beginnen die Wunder.
Für den, der den Weg geht, sind es vor allem Wunder
der Bewusstheit,
des immer tieferen Eindringens in das Göttliche – in
einer harmonischen Weise, eingeladen, nicht einfach eingedrungen.
Wenn die Bereitschaft da ist, sich vom Göttlichen
leiten zu lassen, beginnt der wirklich bewusste Teil der Reise durch das Leben.
Es ist eine Reise ohne Grenzen.
Die Tiefen der Gottheit offenbaren sich in den Tiefen
des Lebens. Und in die können wir nur eintauchen, indem wir uns ihr ganz
überlassen – und ebenso ist es mit dem Leben. Indem wir uns ihm überlassen,
überlassen wir uns ihr. Dem Leben in uns, das uns führt – in einer unfehlbaren
Weise – genau zu unserer Bestimmung, was immer die sein mag. Indem wir ehrlich
sind (überlassen wir uns ihm ganz von selbst) und wir haben die größten Chancen
zu überleben und zu gedeihen. Wieder sind wir dort. Bei der größtmöglichen
Harmonie.
Wohin das führt weiß keiner: „Kein Auge hat es geschaut
und kein Ohr hat es vernommen, was Gott denen bereitet, die ihn lieben“. Aber
was sollte es anderes sein als größtes, unvorstellbares Glück.
Wo sogar wir, die wir erst am Anfang dieses Weges
stehen, von seiner Größe überwältigt sind. Die tiefer eindringen, sehen seine
Größe noch viel mehr. Und ihre eigene Nichtigkeit und gleichzeitig ihre
Bedeutung.
Es ist alles gut. Es gibt keinen Grund für Angst. Wer
sich traut, loszulassen von seinen Vorstellungen (darauf bezieht sich das
Bilderverbot im Judentum und im Islam), wird tausendfach belohnt. Seine Träume
werden übertroffen, nicht nur wegen verwirklichter Ziele, sondern auch und ganz
wesentlich wegen der Befriedigung, die die Bewusstheit verleiht, das Wissen um
den Einklang. Und es gibt außerdem auch deshalb keinen Grund zur Angst, weil
ein vollkommener Schutz besteht – selbst in einen natürlich doch möglichen Tod
hinein. „Und müsst ich selbst wandeln in Todesschluchten, ich fürchte kein
Unheil, denn du bist bei mir.“ Deshalb gibt es wirkliche Märtyrer und wirklich
unschuldige Opfer. Die sind eins mit der Kraft. In absoluter Harmonie. Sie
nehmen es Gott nicht übel, weil sie sehen, dass diese Einheit sie mit viel mehr
belohnt, als dieses Leben hier zu bieten hätte. Dann ist der Tod kein Verlust,
sondern ein Gewinn. Hoffentlich können wir so einen Tod sterben, wann immer das
sein mag ob in Kürze oder erst nach vielen Jahrzehnten dieses Lebens.
Ein Leben in dieser Bewusstheit ist ein Leben im
Himmel, also im Reich Gottes. Bewusst immer nur nach der Einheit suchen, nach
dem Richtigen. Genau das ist ja dann zu dem begrifflich rationalisierten
„Achtfachen Pfad“ des Buddha geworden. Ein nur rationales Befolgen des
Achtfachen Pfads wäre aber noch nicht das Befolgen seiner Intention, das
wirkliche Befolgen ist immer erwogen und erfühlt und nicht erdacht. Das ist der
Buddha. Er lebt nur, was er fühlt. Das ist alles, was er weiß. Alles andere
hält er für einen möglicherweise nur hohlen Mythos, Illusion, Maya. Nur was wir
fühlen, können wir wissen. Alle Theorie ist kein Wissen, es ist nur Bildwerk.
Das Bildwerk ist verboten. Das heißt aber nicht, dass
man nicht bildende Künste in irgendeiner Form ausüben sollte, man sollte sich
nur dessen bewusst bleiben, was ist, dass nämlich kein Bildwerk der
Wirklichkeit auch nur entfernt nahe kommt, wohl aber eine eigenständige
Wirklichkeit hat, deren Bedeutung sich im Laufe der Zeit ändert wie eine
Sprache und die daher nicht unbedingt positiv ist, solange nicht auch sie von Bewusstheit
durchdrungen ist.
Das ist die Bedeutung des Bilderverbots. Deshalb
sollte man nicht an irgendwelchen Vorstellungen haften – was aber eben wieder
nicht heißt, man sollte nicht eine Vorstellungskultur pflegen. Wir müssen mit
allem arbeiten, was uns zur Verfügung steht. Wir müssen nur immer wieder darauf
hinweisen, dass die Bilder nicht die Wirklichkeit sind, dass wir uns aber an
der Wirklichkeit orientieren müssen, die eben immer viel differenzierter ist
als jedes Bild. Zu unserem Glück. Denn dadurch bekommen auch wir in unserer
Besonderheit ein Recht und nicht nur als soziale Nummer. Ein Nummerndasein
kommt nur heraus, wenn wir uns an Bildern orientieren.
Deshalb heißt es: „Du sollst Dir kein Bild machen“.
Die Bibel hat die Folgen der Missachtung des Bilderverbots an konkreten
Beispielen beschrieben (die vielfältigen Sklavereien, denen Israel ausgesetzt
war etc.). Wegen der historischen Ferne aber werden diese Beispiele oft nicht
mehr verstanden. Die heutige Sklaverei beruht auf dem mit „individueller
Gleichheit“ begründeten Nummerndasein in der Gesellschaft. Und doch: Auch wenn
die individuelle Gleichheit bloß eine Fiktion ist, die ganz offensichtlich mit
der Wirklichkeit nicht übereinstimmt, und eine verhängnisvolle dazu, so ist die individuelle Gleichheit sozial doch zu
achten, besonders im juridischen Bereich, aber auch persönlich, weil wir
nämlich wissen und fühlen, dass wir alle die gleiche Natur haben mit ihrem
Ursprung im und in ihrer Berufung zum Göttlichen. Diese Tatsache wahrzunehmen,
ist die Quelle der spontanen gegenseitigen Achtung und des Mitgefühls.
Das Ergebnis dieser Art zu leben, ist das Wagnis, die
Wünsche zu äußern, bis hin zu den höchsten Wünschen.
Zunächst müssen diese Wünsche in uns überhaupt erst
erscheinen dürfen. Wir müssen unsere innere Zensur aufheben. Dann können wir
sie betrachten ohne Vorurteil, die ganze Reihe unserer möglichen und
unmöglichen Wünsche. Und dann sehen wir schon den Wunsch, der genau jetzt
passt. Mit dem wir uns gut fühlen. Und dann entwickelt der Wunsch seine eigene
Energie. Wir brauchen fast gar nichts mehr tun, außer eben die Richtung nicht
aus den Augen verlieren. Wir brauchen nur aufmerksam sein, der Motor der
Erfüllung treibt das Auto unseres Lebens von selbst. Wir sind lebende „cruise
missiles“. Der Kurs ist uns vorgeben durch unsere Wünsche. Von dem, wohin es
uns zieht – natürlich meine ich hier nicht die unguten unbewussten Anziehungen
von dunklen Ahnen oder Peers, die uns behindern. Die müssen erst bewusst
werden. Dann können sie uns dienen. Dann sind wir frei. Frei für unsere Wünsche
– die natürlicherweise in Richtung Abenteuer gehen. Einfach der Wahrheit folgen
führt genau in das Abenteuer, das für uns bestimmt ist. Es geht ja darum einen
Widerspruch in uns nach dem anderen aufzulösen und das setzt uns natürlich
automatisch in Widerspruch zu unserer Umwelt, die unsere Wünsche ja nicht
unbedingt willkommen heißt – insbesondere wo unsere Wünsche ja natürlicherweise
auch auf die Überwindung der Widersprüche in unserer Umgebung zielen. Wir sind
ja die Antwort auf die Krise der Welt. Und eine heilende Antwort ruft zunächst
und später dann vielleicht noch mehr, den Widerspruch der Kräfte hervor, die
von dem Widerspruch (der Krankheit) profitieren. Es ist daher volles Risiko in
allen Bereichen. Aber im Risiko liegt das Leben.
Das bedeutet „Glauben“ oder ein Lebens des Glaubens.
Es ist ein Leben im Risiko, im Risiko der Wahrheit. Der „Lohn“, d.h. die
logische Konsequenz dieses Lebens ist – trotz aller unvermeidlichen
Frustrationen – höchstes Glück.
Die Wahrheit liegt in der Kraft, die alles belebt. Nur
da. Ein Gleichnis von ihr zu werden. Das ist das Ziel und dann folgt das Leben
als dieses Gleichnis, nicht als eine Leistung, sondern als Ausfluss und
Erscheinung dieser Kraft selbst. Es wäre ein Wahnsinn, zu glauben, man könnte
das schaffen, denn es ist nicht zu schaffen – und wir brauchen es gar nicht
schaffen, denn es ist schon geschaffen, wir brauchen es nur zulassen. Es wartet
schon sehnsüchtig in uns, zugelassen zu werden. Wir werden aufleben, sobald wir
es zulassen. Ungeahnte Kräfte werden in uns erscheinen – eigentlich werden sie
jetzt nur sichtbar und daher erst jetzt einsetzbar, weil sie ja jetzt nicht
mehr in einer selbstsüchtigen Weise verwendet werden können.
Es soll heute viele Epiphanien geben. Jeder ist dazu
berufen. Es ist schade für jeden, der diesem Ruf nicht folgen kann – ins Reich
Gottes, in den Himmel. Zunächst hier auf Erden, aber von da an genau dort,
wohin immer die Reise uns führen mag.
Die Reise in den Himmel beginnt damit, dass du deine
Angelegenheiten in Ordnung bringst, d.h. dass du deine unerledigten Geschäfte
endlich erledigst, damit du frei wirst von Schuld, also von allen berechtigten
Forderung an dich, weil du dir eben was zuschulden kommen hast lassen oder eben
Schulden (vorwiegend wohl nicht finanziell, sondern aus unausgeglichenem Geben
und Nehmen in Beziehungen) gemacht hast – und wer hat sich nichts zuschulden
kommen lassen und wer macht keine Schulden! Jeder! Wir alle sind schwache
Geschöpfe und wir brauchen uns nicht einbilden, das je nicht mehr zu sein, ganz
gleich, was wir je erreichen mögen. Keiner ist gut. Deshalb hat Jesus ja so
darauf bestanden, nicht „gut“ genannt zu werden. Er wusste, dass er es nicht
ist, weil eben keiner gut ist, außer der Kraft, die das alles am Leben erhält
und die er „Vater“ genannt hat. Diese Kraft ist sein Vater und unser Vater und
sie/er ist immer bei uns, ganz gleich, was wir tun oder angestellt haben mögen.
Wir brauchen keine Angst haben, diese Kraft ist immer da. Sie erhält uns am Leben,
sie speist jede unserer Handlungen und auch alles Unbewusste. Und sie ist
gleichzeitig das Bewusstsein, das das Ganze enthält und erhält und auch noch in
eine Richtung treibt, nämlich in Richtung größerer Bewusstheit. Wir brauchen
keine Angst haben, dass wir verloren gehen könnten. Sie hat alles unter
Kontrolle, aber sie lässt uns teilhaben an ihrem Werk. Sie lässt uns sein, wie
wir sind. Sie vertraut, denn sie weiß, dass wir letzten Endes alle gesteuert
werden von dem Programm, das sie uns von Anfang an eingepflanzt hat, nämlich
nach dem Licht zu streben, nach Auflösung unserer dunklen Stellen. Von selbst
brechen diese dunklen Stellen auf wie Geschwüre oder auch wie Pickel auf der
Haut. Gesellschaftlich schauen dann diese Pickel aus wie Kriminalität oder die
Geschwüre wie Kriege. Es ist ein Ausbruch eines Widerspruchs. Er tritt zutage.
Irgendwann muss jeder Widerspruch zutage treten. Das hat Jesus gemeint, als er
davon sprach, dass die Geheimnisse von den Dächern gerufen werden würden. Die
Widersprüche drängen nach Auflösung, nach einer Einigung. Das ist Licht. Es
geht nur über die Aufdeckung der dunklen Stellen. Dabei ist die dunkle Stelle
nicht nur die Stelle der offiziell als „kriminell“ bezeichneten Menschen, die
dunkle Stelle liegt auch in dem, was diese Menschen dazu gemacht hat, also in
dem Niederdrückenden in der Gesellschaft, in den nicht notwendigen Zwängen.
Dazu gehört auch das hoch geachtete, aber zu einem Zwang gewordene Streben nach
Reichtum, nach Ansehen, nach Sex und Zärtlichkeit, nach Bequemlichkeit. All
unser Streben muss durchleuchtet werden, damit sich zeigt, was wirklich nötig
ist. – Womit ich nicht sagen will, dass es je eine Gesellschaft ohne jede
Kriminalität geben wird. Wir sind davon jedenfalls noch beinah unendlich weit
entfernt. In diesem Leben werden wir die total harmonische Gesellschaft
jedenfalls nicht erleben. Wir müssen in der Welt leben, die jetzt ist. Aber wir
können in dieser Welt eine Art Insel bilden, auf der andere Gesetze herrschen,
eigentlich nur eines und das ist das Gesetz der Wahrheit. Die Wahrheit muss von
uns ausgehen, wenn diese Insel existieren soll. Dann werden wir feststellen,
dass wir auf diesem Weg Wegbegleiter finden werden, die sehr froh darüber sein
werden, diesen Weg und uns gefunden zu haben. Und damit leben wir schon auf der
Insel. Und dabei ist diese Insel keineswegs eine Sekte, denn die Wahrheit
sprengt jede Sektengrenze. Die Wahrheit ist nur erträglich dem, der sich selbst
für sie öffnet. In den Sekten gibt es immer Tabus, dunkle Stellen, die eben erst
durchleuchtet werden müssen. Vor der Wahrheit hat letzten Endes keine Sekte
Bestand. Ihre Beschränktheit zeigt sich. Wenn sie zugegeben würde, wäre es kein
Problem, aber sie wird verheimlicht und es wird Vollkommenheit vorgegeben,
obwohl doch offensichtlich ein Teil der Wirklichkeit ausgeklammert wird, mit
Tabus belegt wird. So etwa auch die Sexualmoral der katholischen Kirche. –
Nicht dass nicht doch auch etwas für sie spräche, aber als Gewissenszwang ist
sie unerträglich. Nur frei ist sie erträglich, nur bewusst, nicht als Zwang.
Der Gewissenszwang ist das Dunkle an den Sekten. Er ist auch das Kennzeichen
allen Sektenhaftens. Das Dunkle sind nicht ihre Regeln. Für manche mögen die
genau richtig sein. Deshalb dürfen im heutigen Reich Gottes auch die Sekten
sein. Einige ihrer Mitglieder werden es als ihre Aufgabe empfinden, die dunklen
Stellen aufzuhellen. So wirkt diese Kraft. Es geht von selbst. Wir brauchen uns
darum nicht sorgen – es sei denn dies sei unsere Berufung.
Alles ist erlaubt, aber nicht alles fördert unsere
Bewusstheit. Die Bewusstheit muss das Erste sein, dann ist alles erlaubt. Und
mit Bewusstheit meine ich selbstverständlich nicht bloß den Verstand, sondern
vor allem das Fühlen und das Mitfühlen. Dann geht es ohnehin nicht mehr um die
Frage, ob etwas erlaubt ist, denn was erlaubt und was geboten ist, zeigt sich
einem fühlenden Menschen von Schritt zu Schritt unmittelbar aus der Situation.
Tabus irgendeiner Art kann es da nicht geben, höchstens eine freiwillige
Beschränkung aus experimentellen Gründen, eben um tiefer in die Bewusstheit
einzudringen. (So sind die Askese- und Meditationsanweisungen der verschiedenen
spirituellen Schule zu verstehen. Es handelt sich um Experimente mit dem Ziel
der Bewusstseinserweiterung).
Das sind die Regeln, die im heutigen Reich Gottes
gelten. Es ist ein Reich freier Menschen, die ihr Leben bewusst und
selbstverantwortet leben und die alle anderen Menschen als ihresgleichen achten
als Erscheinungen „Gottes“, als Erscheinungen der Kraft, die alles belebt. So wie
natürlich Tiere und Pflanzen und die ganze Natur auch auf ihre je eigene Weise.
Allem gebührt diese Achtung, aber nicht bloß in einem romantisch indianischen
oder romantisch islamischen Sinn, sondern alle Dimensionen des Lebens
einschließend. Die so leben bilden das heutige „Volk Gottes“. Es lässt sich
heute aber nicht mehr so fassen, dass es nur in einer einzigen Gruppierung zu
finden wäre, denn es ist in allen Gruppierungen (u.a. auch in allen Religionen)
vorhanden. Das muss anerkannt werden. Jede Alleinseligmachungsbehauptung einer
Gruppe ist eine Lüge. Die Realität zeigt, dass es auch andere Wege gibt. Das
ist die darüber liegende Wahrheit, obwohl natürlich für die Gruppe der
Alleinseligmachungsglaubenden diese Behauptung schon einen Sinn macht und vielleicht
für sie in dieser Phase ihrer Entwicklung genau richtig sein kann. Aber es
bleibt eben jener dunkle Fleck, der gemäß Dogma nicht beleuchtet werden darf.
Der Intention nach als Bewusstheitsexperiment ist das in Ordnung, aber darüber
hinaus hält das Dogma der Realität nicht stand – für die die tiefer in die
Bewusstheit hineingehen. Nur sie können ermessen, was das Reich Gottes
eigentlich ist. Sie handeln ja nicht mehr gemäß einer Norm, sondern gemäß ihrem
Fühlen. Und was sie fühlen, ist das Drängen zum Licht, zur Bewusstheit. Nur das
ist es letztlich, was sich gut anfühlt. Und dabei kommt keiner zu Schaden. Das
Reich Gottes ist ein Gewinn auf allen Linien für alle Beteiligten. Es ist das
Reich, in dem das Glück herrscht, der Himmel.
In diesem Bewusstsein beispielsweise haben die Väter
Amerikas das Streben nach Glück in ihrer Verfassung verankert. Deshalb sind die
USA immer noch die führende Nation. Und auch diese Vision haben sie immer noch.
Diese Vision war bahnbrechend auf dem Weg zur Bewusstheit und sie ist es noch.
Die Frage ist nur, was das Glück ist. Deshalb ist es so wichtig, die auch da
(in unserer westlichen Industriekultur) bestehenden Tabus zu durchleuchten mit
der Frage, wo sie dem Glück im Wege stehen. Und natürlich auch hier wieder
fühlend und nicht im Sinn irgendeiner Profitmaximierung oder Lustmaximierung
oder irgendeiner Maximierung, denn es geht um die Balance, um das „Auffüllen
der Täler und Gräben und das Abtragen der Berge und Mauern“, wie der Prophet
schon sagte. Es geht um Ermöglichung anstatt Verunmöglichung. Es geht um das
Abnehmen von überflüssigen Lasten, um immer tiefere Sicht das Ganzen und darin
Verstehen, und darin sehen, dass jegliche Schuld bereits erlassen ist. Gott
will uns nicht Lasten auferlegen, sondern abnehmen. „Kommt alle zu mir, ihr
Mühseligen und Beladenen“. Immer wieder hat Jesus gesagt, „tröste dich, deine
Sünden sind dir vergeben“. Nicht dass er sie vergeben hätte, er hat nur
gesehen, dass sie schon vergeben sind, und das hat er mitgeteilt. Und weil er
es gesehen hat, konnten sie es auch sehen und aufatmen. So wurden sie geheilt.
Heilung ist das, was das Reich Gottes kennzeichnet.
„An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Wenn Heilung nicht stattfindet,
gibt es mindestens noch eine dunkle Stelle. Dann ist die Suche noch nicht
beendet. Die Suche endet erst in der Heilung. Nicht bloß in der Heilung einer
Krankheit, sondern in der Heilung des ganzen Menschen, die nur durch bleibendes
Glück erfolgen kann. „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in Dir“, sagt deshalb
Augustinus. Wenn das Herz in der pulsierenden Energie ruht, ist Heilung da.
Diese Ruhe ist logischerweise nichts Statisches, sondern höchst dynamisch,
immer abgestimmt auf die gegenwärtigen Schwingungen oder energetischen Züge,
die auf uns wirken.
Heilung ist ansteckend, genauso ansteckend wie die
Krankheit, wenn auch nicht durch einen physischen Virus, sondern durch einen
geistigen, durch eine Art Schlüssel zur höchsten Bestimmung. Und dieser
Schlüssel ist so leicht zu merken: Es ist einfach die Wahrheit. Wenn wir unsere
Augen vor ihr nicht verschließen, wenn wir uns lösen von unseren Konzepten und
schauen auf das, was ist – auf das, was wir wirklich empfinden – dann sind wir
schon auf dem Weg.
Was dann kommt, ist nicht irgendein Jesus aus der
Vergangenheit, sondern der Himmel hier und jetzt und wir sind darin der neue
Jesus, der jetzt allen den „Vater“ zeigt. Das hat Jesus gemeint mit seiner
Aussage, dass die Menschen der Zukunft „den Menschensohn auf den Wolken des
Himmels kommen sehen“ werden. Das ist die Wiederkehr „Christi“, die er
vorhergesagt hat – nicht ein kosmisches Schauspiel der Wiederbelebung eines
Menschen aus der Vergangenheit. Der „Christus“ (zu deutsch „der Gesalbte“ – und
warum sollte das unbedingt nur eine einzige Person sein, warum sollte der nicht
immer wieder kehren und außerdem vielleicht nicht nur einer zu einer Zeit,
vielleicht Dutzende, Hunderte, Tausende überall) ist etwas Lebendiges, etwas,
das jetzt da ist – verborgen (noch) in den meisten, in einigen aber sichtbar.
Der Christus ist einfach unsere innerste Natur. Deshalb hat sich ja Jesus immer
wieder „Menschensohn“ genannt, um genau das zu sagen. Die Leute haben es nur
nicht verstanden und alles in einen Mythos verpackt, in dem das Wesentliche
zwar schon enthalten ist, aber eben mit der Gefahr großer und sehr
verhängnisvoller Missverständnisses – wie es in den Gräueln der
Kirchengeschichte ja ganz offenbar geworden ist und wie es in kleinerem Maßstab
immer noch offenbar wird in den immer noch ausgeübten Zwängen.
Es ist klar, dass ein „Reich Gottes“ nichts
Zwanghaftes sein kann, sondern nur etwas Freies, so frei wie das All, das von
selbst seine Ordnung findet und alle Zwänge überwindet. Nur freie Menschen
können im Himmel leben, die Gezwängten leben noch in der Hölle. Es geht nicht darum,
nicht in die Hölle zu kommen, es geht heute darum, aus der Hölle zu entkommen,
in den Himmel zu kommen, denn die Hölle kennen die meisten nur allzu gut. Sie
fürchten sie gar nicht mehr, sie sind sie so sehr gewohnt, dass sie schon
glauben, das muss so sein. Aber es muss nicht so sein. Also wenn du dich wie in
der Hölle fühlst in irgendeiner Hinsicht, dann schau dich mal um, wie du da
rauskommst. Es muss nicht so sein. Natürlich musst du für dein Leben schon
Energie einsetzen, sonst kannst du nirgendwohin kommen. Das ist ja logisch.
Zuerst aber schauen – und annehmen, was ist – dann kommt die Einsicht von
selbst und aus ihr die Energie für das Handeln. So läuft das im Reich Gottes.
In der gewöhnlichen Welt dagegen gibt es viel künstlichen Einsatz und viel
Kraftaufwand und Verschleiß für Nichtigkeiten. Und genau das ist es, was die
Hölle erzeugt. Es ist eine Art Sklaverei. Wenn wir also unseren überflüssigen
und zerstörerischen Kraftaufwand entdecken, zeigt sich der Weg aus der
Sklaverei, aus der Hölle heraus. „JAHWE“ befreit immer noch. Aber natürlich ist
die Zeit danach vielleicht kein Honigschlecken. Wir müssen uns unser Leben ja
auch aufbauen und dabei natürlich da beginnen, wo wir sind, egal, wo das ist.
Das verlangt Einsatz und Risiko. – Wegen des anwesenden Vertrauens aber keinen
Stress.
Wie ist es aber mit denen, die in der Hölle absahnen?
Sie brauchen dazu schon eine gewisse Bewusstheit. Aber ein wesentliches Stück
Bewusstheit fehlt, nämlich das Mitgefühl. Dieses Fehlen wird ihnen eines Tages
schmerzhaft zum Bewusstsein kommen. Auf ewig lässt sich die Wahrheit nicht
verbergen. So sind die sagenhaften Ägypter im sagenhaften Roten Meer ertrunken,
als sie die sagenhaften Israeliten, die sich gerade aus der Sklaverei befreit
hatten, verfolgten. „Im Meer“ heißt natürlich in der Unbewusstheit, da sind sie
ertrunken und da ertrinken sie heute immer noch. All ihr Gewinn hilft ihnen ab
einem bestimmten Punkt nichts mehr, da sind sie dann selbst Sklaven ihrer
eigenen Ideologie. Ins Reich Gottes können sie nicht kommen, solange ihnen
nicht bewusst wird, was sie tun. Sonst könnte ich nichts zu ihrer Verurteilung
anführen. Ich verurteile sie überhaupt nicht, sie müssen selbst sehen, wie sie
sich aus ihren eigenen Verstrickungen befreien. Ich habe Mitgefühl mit ihnen.
Sie sind auch selbst Opfer und ausgeschlossen vom Sehen der Wahrheit. Das ist
schade.
Die im Himmel werfen keine Steine. Sie verstehen alle
Dimensionen des Menschlichen sehr gut. Sie verurteilen die Sklavenhalter nicht,
sie raten nur den Sklaven, sich die Sklaverei nicht länger gefallen zu lassen
und nach Wegen zu suchen, sie zu überwinden. Wie das legendäre Beispiel der
Israeliten zeigt, kommt dem, der vertraut, die ganze Natur zu Hilfe. Es gibt
also einen Weg heraus aus jeder Sklaverei. Geh den Weg also und verurteile
deinen früheren Herrn nicht, der ja nur eine Chance benützt hat, die du ihm
geboten hast. Entzieh ihm diese Chance. Und schau auf die Chancen, die du
selbst hast. Der Schlüssel zum Himmel ist Bewusstheit. Und zu ihr finden wir
nur durch die Wahrheit und das Annehmen dessen, was ist, als eine
Herausforderung.
In unserer Umwelt liegen immer Chancen und Fallen. Wer
aufmerksam ist, wird sie unterscheiden lernen. Aber auch die im Himmel tappen
in Fallen – ja die Fallen sind gerade das universelle Instrument der
Erweiterung der Bewusstheit. Nach jedem Fall ist ein Stück Dunkelheit
aufgehellt, jedes mal geht es einen Schritt weiter und tiefer. So ist der Weg.
Das ist der Hintergrund des „felix culpa“ der
Osternacht. Es handelt sich eben nur nicht um ein einziges Ereignis der
Vergangenheit, sondern um ein immer gegenwärtiges Ereignis. Es ist unser
Ereignis, Schuld und Erlösung in einem, Leben (Wiedergeburt) auf einer neuen
Ebene, unsere Wiedergeburt – genau so wie Jesus es dem Nikodemus erklärt hat.
Die Wahrheit führt immer zur Kapitulation und die
Kapitulation führt immer zu der Kraft, die alles belebt (zu „Gott“) und damit
zur Wiedergeburt und in den Himmel.
Das müsste genügen als Anleitung für den Weg. Damit
sind auch gleichzeitig alle früheren Offenbarungen durchleuchtet und neu
erklärt einschließlich die von Jesus, Mohammed und Buddha und aller anderen so
oder anders genannten „Propheten“. Auch das „Siegel der Propheten“ kann nicht
für alle Zeiten ausschließlich „das Siegel“ bleiben.
Es wird in der Religionsgeschichte nie wieder ein „für
alle Zeiten“ geben, denn die Zeiten ändern sich ständig, und der Glaube, etwas
für alle Zeiten festschreiben zu können, kann nur ein Irrglaube sein – womit
ich nicht sagen will, dass die historischen Beispiele von Abraham über Jesus
und Mohammed über Bhagwan bis herauf zu den heutigen westlichen und östlichen
Meistern, sowie von den Aborigenes bis zu den Indianern nicht doch als
historische Beispiele für alle Zeiten gültig bleiben werden, aber eben als
historische Beispiele, die erst in unsere Zeit bzw. in unsere Kultur übersetzt
werden müssen, die erst mit dem heutigen Zeitgeist in Einklang gebracht werden
müssen. Mit „Zeitgeist“ meine ich die Vision der gegenwärtigen Zeit und Kultur,
das wo Bewusstheit aufleuchtet. Auch das zu wissen ist wesentlich für das Reich
Gottes heute.
Wir müssen erkennen, dass es viele Wege gibt und dass
daher keine einzelne, der alten Religionen mehr behaupten kann, sie allein habe
den Weg. Unzweifelhaft gibt es gültige traditionelle Wege in allen Kulturen und
außerdem gibt es noch die verschiedenen Wege der Sucher, die auch entweder in
einen der traditionellen Wege münden oder die selbst einen neuen Weg entdecken,
wie es beispielsweise u.a. die Gründer der Anonymen Alkoholiker taten. Heute
werden aber mehr und mehr die in den Vordergrund treten, die verschiedene Wege
getestet haben und die darin zum neuen Leben gekommen sind. Mehr und mehr
entsteht ja heute eine Weltkultur – und die braucht auch eine neue Religion,
eine Religion für alle – und das kann nur die Religion der Wahrheit sein, die
ich hier darzustellen versuche. Sie achtet alle Religionsgründer, ihre Heiligen
und ihre Tradition. Sie würde keiner die Möglichkeit ein wirklicher Heilsweg zu
sein absprechen. Sie sieht nur, dass es diese Qualitäten in allen Religionen
gibt, dass daher keine „besser“ oder „wahrer“ ist als eine andere. Und die neue
Religion orientiert sich an allen, in der Weise, dass eine jede dunkle Stelle
in einer Tradition durch ein Licht aus einer anderen Tradition erhellt wird,
sodass damit auch innerhalb einer Tradition eine Klärung stattfinden kann. Das
ist die neue Religion, sie schließt alle alten in sich ein, nicht in einer
synkretistischen (das wäre eine künstliche, rationale Übernahme von Bräuchen
und Riten, wie dies tatsächlich in manchen esoterischen Zirkeln geschieht)
Weise, sondern geführt und ausgewählt durch das Fühlen, also durch genau das,
was am Ursprung aller religiöser Traditionen gestanden hat. Es ist also eine
originäre neue Religion, die trotzdem mit keiner der alten in Widerspruch
steht. Vielmehr soll diese neue Religion in die alten Traditionen eindringen
und sie transformieren. Das ist es, was „der Geist“ heute will. Das ist das
Gebot der Stunde.
So hat diese neue Religion auch Formen und Rituale,
die aber viel unformeller sind als die alten. Die Zeit der klassischen Riten,
die die letzten zweitausend Jahre gekennzeichnet haben, ist vorüber. Die
heutigen Riten werden von Leuten veranstaltet, die einen Weg gefunden haben.
Sie nennen ihre Riten daher oft „workshop“. Manche von solchen „workshops“ sind
natürlich nicht von Leuten geführt, die die Wirklichkeit wirklich erkannt
haben, sondern von Schülern solcher Leute, oder sogar von Schülern solcher
Schüler. Es ist daher nicht alles vertrauenswürdig, was es da gibt, außerdem
gibt es, wie schon gesagt, auf diesem Gebiet auch verschiedene Sekten, die
Menschen unter Umständen in üble Situationen bringen können, weil es ihnen in
Wirklichkeit nicht um eine Heilung, sondern um eine Gewinnung geht, also darum,
abhängig zu machen. Es gibt also eine Art „Spiritu-Mafia“, in der sich einige
bereichern und den Dienst nicht leisten, den sie zu leisten vorgeben, ja nicht
leisten können, weil sie selbst den Weg nicht zu Ende gegangen sind, die daher
das Leiden nicht vermindert, sondern erhöht. Aber alles ist möglich. Und ein
bewusster Mensch kann auch in den Fängen einer „Spiritu-Mafia“ oder in einer
Sekte genau das erfahren, was er für seinen weiteren Weg erfahren muss. Daher
geht es mir nicht um eine Verurteilung, sondern nur um die Aufforderung, zu
unterscheiden, genau hinzuschauen und hinzufühlen und die Wahrheit das Urteil
sprechen zu lassen.
Niemand kann urteilen über den Weg eines anderen. Ein
Mensch kann verloren erscheinen und doch gerettet sein. Wir wissen es nicht.
Wir wissen nur, wie verloren wir selber immer wieder sind und was für ein Glück
es ist, dann wieder ein Stück weiter sehen zu dürfen. Aber wenn wir in dem
anderen das Göttliche sehen – und vielleicht noch wo es sich gerade befindet
auf seiner Reise zu sich selbst – dann leisten wir die beste Hilfe, die möglich
ist. Indem wir die Potenz als real sehen, erlauben wir ihre Realisierung und
dadurch kann der andere es sich auch erlauben. Das war das Geheimnis der
Heilungen Jesu. Und außerdem sah er die Hindernisse der Realisierung und er
sprach sie an und sie verloren dadurch ihre Wirklichkeit, ihr illusionärer
Charakter wurde offenbar. Das ist das Geheimnis jeder Heilung. Die Hindernisse
sind nur Illusionen, die Realisierung ist bereits da, sie ist unsere Natur. Sie
möchte so gerne erkannt und gelebt werden. Wir können ihr vertrauen. Sie
arbeitet nicht gegen uns. In ihrem innersten Kern strahlt die alles belebende
Kraft. Sie weiß alles, vor allem weiß sie, was wir wirklich brauchen und das
gibt sie uns – in Form unseres Schicksals. Sie wirkt immer genau das, was wir
jetzt brauchen für unseren weiteren Weg – und wenn das jetzt unser Tod wäre
oder jegliches Leiden. Indem wir ihre Herausforderung annehmen, werden wir uns
dieser Kraft bewusst. Und dann werden unsere Illusionen durchsichtig für die
Wirklichkeit. Und wir sind wieder bei der Heilung.
So wirkt die Kraft unfehlbar in jedem Menschen auf
seine Weise, aber doch immer in Richtung Bewusstheit und in Richtung Aufhellung
jeglichen Dunkels. Auch wenn das Dunkel in manchen Zeiten zuzunehmen scheint,
das scheint nur so, denn diese scheinbaren Rückschläge sind nur darauf
zurückzuführen, dass eine neue Gruppe von Barbaren an die Kultur anzuschließen
war. Das ist bis heute so, dass dieser Prozess Dunkelheit ausbreitet,
gleichzeitig jedoch verringert sich das Dunkel der Barbaren, sie werden
zivilisiert und damit bewusster, sie erreichen eine neue Ebene, sie treten ein
in eine größere Ganzheit, sie lernen über den Rand ihrer bisherigen Welt
hinauszusehen. Doch bevor sie sich integrieren sind die Barbaren noch zornig
und neidisch auf die Zivilisierten und greifen sie daher an. Sie glauben, sie
müssten das doch auch haben können, was diese haben, nur leider wissen sie noch
nicht, wie es erarbeitet werden kann, sie können es (noch) nur als mögliche
Beute sehen. Es wird eine Weile brauchen, bis sie nach und nach erkennen, wie
diese angenehmen Dinge und Lebensumstände entstehen und wie sie sie selbst
herstellen können – und dass das eine bisher unbekannte Disziplin erfordert.
Sobald sie das erkannt haben, hat sich ihre Bewusstheit schon wesentlich
erweitert. Und ihre Barbarei hat ein Ende.
Auch bin Laden und die Taliban sind solche Barbaren.
Die ganze islamische Kultur ist gerade dabei, integriert zu werden und die
Taliban bilden die Abwehr mit ihrem Festhalten an ihrer partikularistischen
Sicht und ihrer Paranoia, anstatt dass sie die Chance sehen würden, die eine
liberale politische Ordnung gerade für sie bietet. Das ist schade, aber
unvermeidlich, denn jede Integration macht auch Angst und irgendwo muss sich
diese Angst äußern. Sie äußert sich mit Recht. Wenn dieser Gruppe nicht gezeigt
werden kann, dass sie keine Angst haben brauchen, werden sie sich nicht beruhigen.
Das ist nur logisch. Um das aber als logisch zu erkennen, ist es nötig zu
sehen, was gerade geschieht – eben die Integration der islamischen Welt – wie
etwa in den westlichen Industriestaaten, wo es ja eine friedliche Koexistenz
gibt und keinerlei Einschränkungen der Frömmigkeit. Diese Integration macht
aber eben vielen Angst, besonders jene schieben dann die „Schuld“ an
persönlicher Armut etc. auf die Integration – als ob es solche Armut früher
nicht gegeben hätte. Dass es sie gegeben hat, zeigt ein Blick in die Bibel, wo
berichtet wird, dass manche Hungersnöte so arg waren, dass Mütter ihre Kinder
aßen.
Etwas anderes ist natürlich der Schaden, der durch die
Kolonisierung angerichtet wurde, der ist offenbar noch nicht beglichen. Eine
Schuld unserer Kultur, die noch nicht (zur Gänze) zurückbezahlt ist. Wir können
sie nur zurückzahlen, indem wir jetzt von den für „primitiv“ Gehaltenen lernen
– warum nicht auch vom Islam, (nicht verbunden mit dem Koran und doch) von dem,
was „Islam“ bedeutet, nämlich Hingabe. Unsere Schuld ist es, ihnen, die jetzt
paranoische Angst haben, die Ehre zu geben, die ihnen gebührt. Dafür dass in
ihrer Kultur noch in einem großen Maß bewahrt ist, worum es im Leben wirklich
geht: Bewusstheit – dort natürlich auf etwas anderes gerichtet, als wir es
gewohnt sind und daher überraschend und manchmal auch befremdlich. Diese
Bewusstheit zu sehen, das schulden wir den Mitgliedern dieser Kultur. Wenn wir
sie sehen, ist unsere Schuld beglichen – denn der Kolonialismus war ja
begründet in der Annahme, es gebe so etwas wie Untermenschen, die man
beherrschen solle. Wir müssen dieses Urteil aufheben. Dann sind wir frei im
Umgang mit ihnen. Dann ist alles in Ordnung.
Das bedeutet aber in der Praxis, dass wir die (auch
uns) befreiende Kraft dieser Widerstandsströmungen in der islamischen Welt
sehen, ein Potential, das sich Achtung erzwingt. Indem wir ihnen diese Achtung
freiwillig geben, brauchen sie nichts mehr erzwingen. Und wir brauchen uns
nicht mehr zwingen lassen.
So kann sich auch auf diese Weise der Himmel auf der
Welt ausbreiten und gegenseitige Achtung und gegenseitiges Vertrauen, auch im
sozialen Maßstab.
Und wir müssen damit beginnen, wir persönlich. Es gibt
keine Alternative – aber gibt es eine lohnendere Herausforderung?
Das war zum persönlichen hinzu der geopolitische
Aspekt des Reiches Gottes auf Erden, der früher „Heilsgeschichte“ genannt
worden ist. Wir müssen erkennen, dass die Heilsgeschichte oder der „göttliche
Heilsplan“, von dem in der Bibel berichtet wird, heute nicht mehr regional oder
kulturell beschränkt ist, sondern dass die göttliche Kraft logischerweise ja
schon immer und überall wirkt – natürlich auf eine wirklich wirksame Weise –
dass die Welt daher nicht warten musste auf Jesus oder Mohammed oder Buddha. Es
hat sie immer gegeben, die die Wirklichkeit erkannt haben. Und es gibt sie
heute noch, überall auf der Welt gibt es sie, in allen Kulturen.
Es hat von Zeit zu Zeit immer aber auch Leute gegeben,
die diese „Frohe Botschaft“ in eine Form gekleidet haben, die von einer größeren
kulturellen Einheit verstanden werden konnte – und das muss natürlich immer
wieder neu geschehen, damit es eben die jeweils heutigen Menschen verstehen.
Die heutige Form schließt alle Kulturen ein und keine aus, auch alle
Subkulturen, das ganze Spektrum der menschlichen Wirklichkeit. Alle müssen die
Botschaft verstehen können. Und alle können sie verstehen, denn es ist, wie
gesagt, einfach die Wahrheit.
Die heutigen Priester sind einfach Priester der
Wahrheit, von niemand ordiniert, als von der Wahrheit selbst. Das ist die
einfache heutige Botschaft, die für die heutigen Menschen „kein Joch“ ist,
sondern eine Befreiung. „Fürchtet euch nicht“ hat es ja immer geheißen und
heute immer noch. Keine Angst, alles ist bestens. Du kannst dich angenommen
fühlen und aus diesem Gefühl der vollkommenen Geborgenheit heraus kannst du all
das anpacken, das dich belastet und es überwinden, eines nach dem anderen in
absoluter Siegesgewissheit – denn die Kraft ist mit dir, immer und überall,
wenn du in der Wahrheit bist. Die Wahrheit ist das, was ist. Was immer an
Wünschen besteht und an Notwendigkeiten und an unbewussten Kräften. Das zu
betrachten ist die Wahrheit betrachten. Die Wahrheit sieht alle wirkenden
Kräfte und sie setzt sich mit ihnen auseinander. Sie verschließt sich ihnen
nicht. Sie verbietet jede Zensur. Dadurch wird die Wirklichkeit durchsichtiger
in immer tiefere Tiefen hinein. Das war der Weg, den Jesus gegangen ist. Genau
das macht ihn zu einem Beispiel, das heute noch genauso gilt – nur ist es nicht
so leicht, zu verstehen, aus welcher Wirklichkeit heraus er gelebt hat, dass es
nämlich nur die Wahrheit war. In ihr „schwingt der Geist“ (Gen 1,2). Und das
ist „im Geist und in der Wahrheit“. Das ist das Leben des zu Lebzeiten
Wiedergeborenen und die Wiedergeburt des Ewigen in einem. Es ist heute genauso
möglich und man braucht dazu kein Mönch sein. Aufmerksam sein auf die Wahrheit
reicht. Was immer dabei herauskommt, es wird ein Beitrag zur Bewusstheit der
Menschheit sein, ein evolutionärer Schritt.
Das ist das Leben im Reich Gottes heute.