Zwanghafte Wut loswerden
Es
gibt nur Handlungen, die nicht das erwartete oder erhoffte Ergebnis haben.
Es
gibt nur Menschen, die böse sind, weil sie sich über irgendetwas geärgert
haben. Und dann kann es passieren, dass so jemand eine erlittene Frustration an
irgendwelchen Unbeteiligten auslässt. Und dann kann es geschehen, dass jemand,
der begonnen hat, Frustrationen an irgendwelchen Unbeteiligten auszulassen, das
immer wieder tut, weil er/sie sich im Innern auf Rache eingestellt hat.
Es
geht ganz einfach: Das frustrierende Ereignis wird in der Erinnerung immer da
sein. Daher auch die Möglichkeit eines Gedankens an Rache. Von simpler
Ekelhaftigkeit bis zum Amoklauf ist dann alles drin.
Wer
sich nicht stark genug fühlt für Rache, kann Wut in sich fühlen und sich
vielleicht sogar selbst dafür bestrafen, dass er/sie nicht in der Lage ist, die
Wut auszuleben und in aktive Rache umzuwandeln. Unfälle, Erkrankungen oder
tiefe Depressionen können die Folge sein.
Von
hier aus ist alles möglich.
Wer
diese Wut oder diese Rachegedanken als Zwang empfindet und sie loswerden
möchte, kann dafür einen Weg finden.
Wer
diesen Gedanken Raum gibt, bei dem/der haben sie Raum und sie werden nach immer
mehr Raum verlangen. Irgendwann sind sie dann so stark, dass sie die Träger
dieser Gedanken völlig überwältigen. Das Ergebnis ist dann Krankenhaus oder
Gefängnis oder Mord oder Tod.
Dass
so viele Menschen ihre Wut wegen der einmal oder vielmals erfahrenen Verletzung
auf andere projizieren und an diesen versteckt oder offen ausleben, ist der
Grund für den Großteil des Leids in der der Welt: „Das ist der Fluch der bösen
Tat, dass sie fortwährend Böses muss gebären.“ Das hat Goethe wohl richtig
gesehen, doch er scheint nicht gesehen zu haben, dass am Anfang dieser Kette
gar nicht unbedingt etwas „Böses“ gestanden haben muss. Es genügt irgendeine
kleine Frustration. Sehen wir uns nur die kleinen Kinder an: Wenn ihnen etwas
nicht passt, schreien sie. Anders können sie sich am Anfang nicht ausdrücken.
Später schlagen sie dann auch andere. Bei ihnen ist alles aber noch unmittelbar
auf das auslösende Ereignis bezogen. Sie reagieren „böse“ auf jede Frustration
und damit auch auf Ereignisse, für die niemand etwas kann. An ihren Eltern
lernen sie dann jeweils, welche Reaktionen o.k. sind und welche nicht. Von
Eltern, die voll sind mit Selbstmitleid, lernen sie dann, immer irgendwo anders
eine Schuld für jeden ihrer Schmerzen zu sehen. Von da an wird die Kombination
von Selbstmitleid und Beschuldigungen kultiviert und trainiert einschließlich
des Gefühl der Berechtigung der Wut und des Selbstmitleids. Die Menschen tun
dann irgendwann alles, um weiterhin glauben zu können, dass sie nichts dafür
können, dass sie unschuldig sind an ihrem Schmerz, dass an allem Unglück
irgendjemand anderer schuld ist.
Diese
Situation ist die Basis für spätere psychische Erkrankungen jeder Art.
Es
sind keine „Fehler“, es sind nur Gewohnheiten, die alles andere als erwünschte
Ergebnisse bringen.
Wenn
ein Mensch das bemerkt, gibt es einen Ausweg. Für diejenigen, denen es ums
Verrecken nicht möglich ist, davon abzusehen, bei anderen die Schuld zu suchen,
gibt es höchstens medikamentöse „Hilfe“, nämlich so etwas wie eine chemische
Zwangsjacke, die diese Menschen auf ihre elementaren Funktionen beschränkt, so
dass sie geistig nicht mehr in der Lage sind, zu projizieren. Die alte
Zombie-Strategie der Afrikaner gibt es jetzt im modernen psychiatrischen
Gewand. Sie funktioniert immer noch – mehr schlecht als recht. Schade.
Für
solche, die sehr an ihren eigenen Projektionen leiden aber, gibt es einen
Ausweg: Sie können die ganze Verkettung der Ereignisse und ihrer Reaktionen
darauf betrachten und erkennen, dass es ausschließlich in ihrer Macht steht,
den Teufelskreis zu durchbrechen. Sie müssen auf den Genuss, den ihnen die
Beschuldigung anderer gibt, verzichten und anfangen, sich nicht mehr als
unschuldige Opfer zu sehen. Sobald sie erkennen, dass sie eben ihren Emotionen
wieder erlaubt haben hochzuschwappen und ihren Projektionsmechanismus
anzuwerfen, können sie zu sich selbst „Stop!“ sagen und im nächsten Augenblick
ein neues Leben anfangen, also indem sie den Zusammenhang zwischen dem
vorangegangen Moment mit dem nächsten zu durchbrechen. Indem sie in diesem
Moment entscheiden, was sie jetzt tun, wechseln sie von der Opfer- in die
Täter-Rolle. Und, ob sie wollen oder nicht, müssen sie nun die Verantwortung
übernehmen.
Falls
sie es nicht schaffen, sich zu lösen von der hochschwappenden Emotion, hilft
(nur) „Kapitulation“ (Schritt eins von den „zwölf“ Schritten der „Anonymen“),
also zugeben „ich schaffe es nicht“, verbunden mit der Bitte um Hilfe bei
gleichzeitiger Überantwortung des eigenen Schicksals in die „Hände“ der Kraft,
aus der alles hervorgegangen ist (Schritte zwei und drei).
Damit
erübrigt sich jede Beschuldigung. Die innere Einstellung steht auf Anerkennung
der Realität. Die Realität ist die der Unterlegenheit unter einer Übermacht.
Die Übermacht ist die Welle von Emotionen. Durch das Zugeben dieser
Unterlegenheit und das Abwenden der Aufmerksamkeit von der unzureichenden
eigenen Kraft und das Hinwenden auf jene andere Kraft, aus der die ganze Welt
hervorgeht, ist der Ausweg aus dem alten Teufelskreis für diesen Moment bereits
geschafft.
Das ganze muss
natürlich Zehntausende Male wiederholt werden, damit ein Mensch der Welt der
Phantasie entkommen und für immer in die Welt des Tatsächlichen eintreten kann,
denn die Gewohnheit, sich von den emotionalen Wellen überrollen zu lassen und
damit den Eindruck von Unschuld zu behalten, ist ebenso Zehntausende Male
eingeübt worden. Tatsächlich ist der Ausweg, was die Zeit betrifft, aber nicht
so lange. Es kann schon in wenigen Wochen oder Monaten gelingen – je nach dem
wie dringend es für einen Menschen ist. Es braucht aber in jedem Fall Geduld,
die vielen Rückfälle auszuhalten und nicht aufzugeben. Oder doch lieber wieder
hilfloser Spielball zwischen den Wellen sein? Oder lieber Zombie?
Es
gibt nichts Böses, es gibt nur Interferenzen und mehr oder weniger angemessene
Reaktionen darauf.